Jetzt wird kassiert

von Kerstin Fulge
und Eva Weikert

Es wird ernst: Als eines der ersten Bundesländer beendet Hamburg in den nächsten Monaten die Ära der gebührenfreien Hochschulausbildung. Am liebsten zum April nächsten Jahres, spätestens aber ab Herbst 2006 will der CDU-Senat Studiengebühren für alle einführen. Zwar soll die Erhebung für die fünf staatlichen Hochschulen freiwillig sein. Doch die meisten Lehrstätten nehmen das Geld gern.

Mit einem Gesetz, das diesen Herbst vorliegen soll, will das Rathaus eine Obergrenze von 500 Euro pro Semester festlegen – zusätzlich zur derzeit 185 Euro teuren Rückmeldegebühr, die an Studentenwerk, AStA und HVV geht. „Langfristig halte ich einen höheren Anteil für möglich“, stellt Wissenschaftssenator Jörg Dräger (parteilos) schon jetzt klar. Ein „Zukunftspakt“ mit dem Senat solle den Hochschulen garantieren, dass die Einnahmen ihnen zusätzlich zustehen. Mit Start der Maut entfielen die erstmals zum Herbst fällige Verwaltungsgebühr sowie Langzeit- und Metropolgebühr, verspricht Dräger. Ob die Hochschulen pünktlich mit In-Kraft-Treten des neuen Gebührengesetzes kassieren, alle um Überweisung bitten und die Höchstsumme nehmen, sollen sie selbst entscheiden.

Wann und wen Hamburgs größte Hochschule, die Uni, wie teuer zur Kasse bitten wird, darüber schweigt das Präsidium aber. „Diese Entscheidungen muss die Politik treffen“, fordert Uni-Chef Jürgen Lüthje: „Sie kann den schwarzen Peter nicht den Hochschulen zuschieben.“ Der Senat habe die „rechtlichen Rahmenbedingungen zu definieren“.

Den Weg zum Bezahlstudium hatte das Bundesverfassungsgericht im Januar geebnet nach einer Klage Hamburgs und fünf weiterer CDU-geführter Länder. Lüthje lobte den Richterspruch damals als „notwendig“. Gebetsmühlenartig mahnt er seither, die Maut sei aber falsch, wenn kein neues System der Studienfinanzierung etabliert werde.

Nach der jüngsten Sozialstudie des Studentenwerks stammen schon heute mehr als zwei Drittel der Hamburger Studierenden aus gut betuchtem Elternhaus. Diese bundesweit steigende Ungleichverteilung liege in der Hansestadt deutlich über dem Bundesschnitt. Zugleich sei das Studentenleben hier teurer.

Kritischer sehen das Bezahlstudium darum die Kunsthochschule (HfbK) und die Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW). Deren Chef, Michael Stawicki, lehnt Studiengebühren grundsätzlich ab. Diese würden vor allem „bildungsfernere Menschen“ abschrecken. Auch sei aufgrund „internationaler Erfahrungen“ zu erwarten, dass sich der Staat weiter aus der Hochschulfinanzierung zurückzieht und die Gebühren den Landesetats zugute kommen. Dass sie auch an der Fachhochschule über kurz oder lang eingezogen werden, will Stawicki aber trotzdem nicht ausschließen.

Nur die Künstleruni am Lerchenfeld will als Einzige auf die Abgabe verzichten. „So möchten wir wettbewerbsfähig bleiben“, begründet HfbK-Sprecherin Karin Pretzel den Spartarif. Auch hätten Kunststudierende ohnehin schlechtere Berufschancen. Die wirtschaftlichen Bedingungen seien für sie schwieriger als für Absolventen anderer Fächer.

Musiker scheinen es da leichter zu haben, denn die Hochschule für Musik und Theater scheut die Gebühr nicht. Für Ärmere müsse es aber ein Stipendien- und Darlehensmodell geben, betont Sprecherin Gabriele Bastians. Die Umsetzung, also Zeitpunkt und Höhe der Gebühr sowie Befreiungsklauseln, würden dieses Semester die akademischen Gremien festlegen.

Eine klare Befürworterin des Bezahlstudiums ist die Technische Uni Harburg. Deren Präsidium hat schon entschieden, dass ab Winter 2006 ganze 500 Euro zu zahlen sind. Der Semesterbeitrag sei aber inklusive, so Sprecherin Jutta Werner.

Dank der Gebühren rechnet die Stadt mit zusätzlichen Einnahmen von insgesamt 50 bis 60 Millionen Euro pro Jahr für die Lehrstätten, denen sie 700 Millionen Euro bereitstellt. Der Senat will sie verpflichten, das Geld in Studium und Lehre zu stecken. Kassiert auch die Uni 1.000 Euro pro Jahr, könne sie bis zu 30 Millionen Euro zusätzlich einnehmen, wie Uni-Chef Lüthje errechnet hat. Damit ließen sich die Studienbedingungen „um 20 Prozent verbessern“.

Konkret werde an der Uni überlegt, mit dem Geld Tutorien für alle Studienphasen zu schaffen. Verbessert werden müsse zudem die Ausstattung der Bibliotheken. Überdies fehle es an Computern und Laborgeräten. „Für sinnvoll halten wir auch zusätzliches Lehrpersonal“, so Lüthje, „vor allem in Fachrichtungen mit großen Studierendenzahlen.“ Die Effekte würden im Semester nach dem Mautstart auftreten. Weil die Studierenden die „besten Experten ihrer Studienbedingungen“ seien, will Lüthje AStA und Fachschaften über die Verwendung der Einnahmen mitentscheiden lassen. Geregelt werden solle der Zugriff aufs Geld durch einen Vertrag.

Lüthje ist sicher, dass es in wenigen Jahren „nicht eine Hochschule in Deutschland geben wird, die keine Studiengebühren erhebt“. Weil SPD und Grüne die Abgabe bisher strikt ablehnen, wird es aber erstmals noch mautfreie Inseln im unionsdominierten Bundesgebiet geben.