Mehr Kontrolle, wenig Autonomie

Neues Schulgesetz, schlankere Behördenstruktur – im Bildungsbereich ist mal wieder alles im Umbruch. Wir fragten Helmut Zachau, einen politisch engagierten Berufsschulleiter aus Walle, wie das in den Schulen ankommt

taz: Das Schulgesetz wird modernisiert, die Schulbürokratie wird abgebaut, ist das nicht eine Chance auch im Sinne von mehr Schulautonomie?

Helmut Zachau: Das könnte eine Chance sein, wenn da eine Strategie verfolgt würde. Aber im Moment sieht es so aus, als würde es nur um eine Verschlankung der Entscheidungsprozesse gehen.

Verschlankung klingt gut.

Die Behörde will die Schulen inhaltlich und organisatorisch durchorganisieren, nach einem einheitlichen Standard.

Was bedeutet das?

Mit den Qualitätsentwicklungs-Projekten sollen Ergebnisse gemessen werden, nicht pädagogische Prozesse. Die Schulen sind aber unterschiedlich, eine Grundschule in Tenever hat andere Bedingungen als eine Schule in der Carl-Schulz-Straße.

Schulautonomie soll doch bedeuten, dass man den Schulen selbst überlässt, wie sie die Ziele erreichen.

Richtig. Dann muss man ihnen auch Spielräume lassen, ihre eigenen Wege zu gehen. Im Moment sind die Vorgaben so eng, dass auch die Wege in den Schulen detailliert vorgegeben werden. Die Behörde versucht den Schulbetrieb von außen zu regulieren. Die Schulaufsicht wurde gestärkt …

Gestärkt? Die gab es ja überhaupt nicht!

Ja, sie wurde praktisch wieder eingeführt. Dann wird zum Beispiel über das Zentralabitur im Detail vorgegeben, welche Inhalte vermittelt sein müssen. Das steht im Widerspruch zu den Konzepten der Profiloberstufe, wo für die Schüler die Chance bestehen soll, nach den eigenen Neigungen Schwerpunkte zu wählen.

Es hat in den Beratungen des Koalitionsausschusses den Vorstoß gegeben, die Behörde deutlich zu reduzieren. Lemke hatte nach seinem Pisa-Besuch in Finnland ähnliche Impulse. Das klingt nach Bürokratieabbau.

Wenn die Zielsetzungen ganz eng vorgegeben werden, dann braucht die Behörde für die Kontrolle nicht mehr viele Mitarbeiter. Der Kontext dieser Überlegungen sieht im Moment nicht so aus, als gehe es um Bürokratieabbau. Mit der Bildungs-GmbH werden neue Zwischeninstanzen geschaffen, die auch ihre Rolle spielen wollen.

Da soll ein Oberkreisdirektor der Geschäftsführer werden, kein Pädagoge, hat Willi Lemke gesagt.

Weder die Personalie noch die genaue Aufgabenstellung der GmbH sind bekannt. Der Entwurf des neuen Schulverwaltungsgesetzes gibt hierüber auch keinen Aufschluss.

Die Schulbegleitforschung am Landesinstitut für Schule (LIS) soll auslaufen. Was bedeutet das in diesem Zusammenhang?

Die Schulbegleitforschung hat Schulen unterstützt, die unterschiedliche Wege gehen wollten. Nach dem alten Schulgesetz war das möglich, die Kinder da abzuholen, wo sie stehen – je nach Stadtteil, nach Klientel. Die Schulbegleitforschung hat einzelnen Schulen geholfen, ihren Weg zu finden. Diese Hilfe spart sich das Ressort jetzt.

Sparen und modernisieren geht nicht gleichzeitig?

In der Finanzlage könnte eine Chance liegen. Dafür müsste man sagen: Wenn wir schon kein Geld haben, geben wir den Schulen die Möglichkeit, selbst zu gestalten und Kräfte zu mobilisieren, die sich engagieren wollen, wenn sie selbst etwas gestalten können. Das könnte man Partizipation nennen. Aber das Schulgesetz und die Handlungsweise der Behörde gehen genau in die entgegensetzte Richtung. Der Leiter einer Schule muss in der Lage sein, die verschiedenen Interessen in einer Schule zusammen zu führen. Wir haben es ja in der Schule mit qualifizierten Leuten zu tun, die selbständig arbeiten müssen und die nicht per Anweisung gesteuert werden können. Jetzt wird den am Schulleben beteiligten Gruppen – das sind SchülerInnen, Eltern und LehrerInnen – sogar noch die Möglichkeit der Beteiligung bei der Berufung der LeiterIn genommen.

Was treibt die Schulbehörde? Was treibt Willi Lemke? Warum hat er nicht das Geschick, eine für die Lehrer attraktivere Reformstrategie einzuschlagen?

Das ist für mich auch das große Rätsel. Ich glaube, dass die Politik sehr kurzatmig denkt. Da gibt es ganz enge Wenn-Dann Beziehungen. Man stellt zum Beispiel fest: In den Kollegien gibt es aufgrund des Einstellungsstopps Verkrustungen. Die sollen bürokratisch durch eine Regelversetzung nach acht Jahren aufgehoben werden. Für pädagogische Reformprozesse ist ein Horizont von acht Jahren aber viel zu eng. Und es wird auch nicht gefragt: Wo ist die Ursache für die Verkrustung? Wie schaffen wir eine Kultur der Veränderung, auch des Wechsels?

Meiner Beobachtung nach gibt es ein Spielchen zwischen einem Teil der Lehrerschaft und der Behörde – da werden Schuldzuweisungen wie ein Ball immer hin und her gespielt, damit beide Seiten sich nicht wirklich bewegen müssen. Fragen: kawe