speichenbruch
: Team ohne Sieg

Der Bonner Profiradstall T-Mobile radelt einem Erfolgserlebnis hinterher. Die Stimmung in der Mannschaft hebt das nicht

Frohe Botschaften sind rar in diesen wärmer werdenden Frühlingstagen, und umso freundlicher werden sie aufgenommen beim Bonner Profiradstall T-Mobile. Gerade eben hat Jan Ullrich ausrichten lassen, dass es ihm gut gehe, was bei ihm heißt: Er trainiert fleißig – und auch sein Gewicht drückt die dünnen Reifen nicht mehr platt. In der Toskana hält sich der ehemalige Tour-de-France-Sieger und Ex-Merdinger derzeit auf, zusammen mit seinem Kindermädchen Rudy Pevenage und ein paar Spiel-, sprich: Trainingskumpanen aus dem Team. Bis zu fünf Stunden täglich sei das Grüppchen per velo unterwegs – und weil alles so prima rund läuft, soll Ullrich bald schon in die Wettkampfsaison starten, nämlich beim „Circuit de la Sarthe“ am Dienstag.

„Jan macht einen sehr guten Eindruck“, sagt jedenfalls Mario Kummer, der Sportliche Leiter des Teams T-Mobile, was derzeit eher eine Seltenheit ist bei den radelnden Fernmeldern. Der Rest des Teams jedenfalls macht derzeit einen ziemlich miesen Eindruck, was sich mittlerweile sowohl in der Statistik als auch in der Stimmung niederschlägt: Acht Wochen läuft die Radsaison nun schon, und noch immer steht kein Sieg zu Buche. Da darf es nicht verwundern, dass die Nerven ein wenig blank liegen und der Druck auf Mannschaft wie Mannschaftsführung langsam, aber sicher zunimmt. „Das ist ungewöhnlich“, gibt Teamchef Olaf Ludwig zu, der weiß: „Uns misst man an Erfolgen – und die haben wir im Moment nicht.“ Wofür wiederum T-Mobile-Manager Walter Godefroot eine ebenso einfache wie seltsam anmutende Erklärung parat hält: „Die Konkurrenz hat intensiver trainiert.“

Im Prinzip setzt sich mit der aktuellen Frühjahrsseuche nur fort, was sich seit langem schon mal mehr oder weniger offen angedeutet hat: Es stimmt was nicht im Stalle T-Mobile – und das gleich in mehreren Bereichen. Zuletzt zu Tage getreten ist das übrigens beim als rheinischer Klassiker maskierten Kirmesrennen „Rund um Köln“. Gewonnen hat dort David Kopp vom Zweitliga-Team Wiesenhof vor Stefan Schumacher (Team Lamonta), das Team T-Mobile hingegen schaute erneut in die Röhre. Pikanterie am Rande: Sowohl Kopp als auch Schumacher waren als Nachwuchsfahrer dereinst bei den Bonner Fernmeldern angestellt, beide wegen Perspektivlosigkeit entlassen worden. In Zeiten ohne Sieg bekommt man solcherlei natürlich aufs Brot geschmiert. Zum Beispiel von Jens Heppner, der den Radplaneten T-Mobile aus eigenen Aktivitäten dort genauestens kennt. Jetzt fährt Heppner, 41, bei Wiesenhof seine letzte aktive Saison und sagt: „Man erkennt dort Talente nicht.“ Stefan Schumacher will so offensiv zwar nicht werden, merkt aber schon auch an, „dass T-Mobile an große Dinge wie die Tour denkt und gerne teure Ausländer holt“ – und somit für junge Nachwuchsfahrer wie ihn wenig bis gar kein Platz bleibt. Erstaunlich daran wiederum ist, dass all die teuren und vermeintlich erstklassigen Ausländer, kaum dass sie das Magenta-Trikot tragen, plötzlich gar nicht mehr so ganz dolle sind – und schon gar nicht große Rennen gewinnen.

Noch wollen sie bei T-Mobile freilich nicht das ganz große Drama aus ihrer Sieglosigkeit stricken, schließlich ist es gerade erst April geworden. „Da haben wir bei allen anstehenden Klassikern Chancen“, sagt Walter Godefroot, zum Beispiel diesen Sonntag bei der Flandernrundfahrt, wo Steffen Wesemann sogar als Titelverteidiger an den Start geht. „Das Vertrauen ist noch da“, sagt Godefroot jedenfalls – und meint damit das seine in die Mannschaft. Für das Vertrauen von T-Mobile in Godefroot scheint das nicht so zu gelten. Der Belgier muss am Saisonende gehen. FRANK KETTERER