Mercedes ruiniert seinen Namen

Größte Ruckrufaktion für mangelhafte Autos in der Geschichte des Unternehmens. Fehler bei Software und Bremskabeln. Firma sagt, es handele sich um eine „Qualitätsoffensive“

FRANKFURT/M. taz ■ Unter keinem guten Stern stehen derzeit die Geschäfte von DaimlerChrysler mit der Nobelmarke Mercedes-Benz. Wie DaimlerChrysler gestern bestätigte, wurden schon am Donnerstag 1,3 Millionen Fahrzeuge fast aller Mercedes-Klassen der Baureihen Juni 2001 bis November 2004 im Rahmen einer „Qualitätsoffensive“ zurück in die Werkstätten beordert.

Von Klasse zu Klasse variierend soll es um den Austausch einer fehlerhaften Software für die Batteriesteuerung oder um die nicht ordnungsgemäße Sicherung von Kabelanlagen für die Bremsanlage gehen. Es handelt sich um die größte Rückrufaktion aller Zeiten bei Mercedes. Und das nur Tage vor der Hauptversammlung (HV) von DaimlerChrysler, die am kommenden Mittwoch erstmals in Berlin stattfindet.

Weil der Aktienkurs aktuell eingebrochen ist und sich schon der Konzerngewinn 2004 gerade wegen der Rückrufaktionen der jüngsten Vergangenheit halbiert hat, dürfte diese HV für Konzernchef Jürgen Schrempp keine vergnügungssteuerpflichtige Angelegenheit werden. Nicht nur die kritischen Aktionäre werden Schrempp einige Fragen stellen. Auch diverse Fondsgesellschaften wollen dem Vorstand die beantragte Entlastung verweigern. Schließlich dürften nach der aktuellen Rückrufaktion, die DaimlerChrysler nach Expertenmeinung knapp eine halbe Milliarde Euro kosten wird, dem teuren Restrukturierungsprogramm zur Rettung der Smart-Produktion – Gewinnerwartung erst nach 2007 – und den Absatzproblemen auf dem US-Markt die Erträge weiter schrumpfen.

Schrempp muss aufpassen, dass der Ruf von Mercedes nicht weiter ruiniert wird. Nach einer Umfrage der Forschungsstelle Automobilwirtschaft unter deutschen Autohändlern werden Mercedes schon jetzt „Qualitätsschwierigkeiten“ attestiert. 26 Automarken sollten bewertet werden. Mercedes und Renault schnitten am schlechtesten ab.

Dass die fehlerhaften Teile nicht nur bei der aktuellen Rückrufaktion vom Zulieferer Bosch AG kommen, entlastet DaimlerChrysler nur scheinbar. Schlampige Materialeingangsprüfung beim Autobauer ist schließlich auch kein Kavaliersdelikt, auch wenn DaimlerChrysler jetzt versichert, dass die Sicherheit der Pkws „niemals beeinträchtigt“ gewesen sei. Es habe sich in allen Fällen um „Qualitätsprobleme“ gehandelt, und nun solle eine Angleichung an den neuesten Stand der Technik vorgenommen werden.

Schon im Mai 2004 hatte DaimlerChrysler rund 650.000 Fahrzeuge wegen Mängeln am Bremssystem SBC zurück in die Werkstätten beordert. Anfang 2005 folgte eine zweite Rückrufaktion für Dieselautos wegen fehlerhafter Einspritzpumpen. „Oh Lord, won’t you buy me a Mercedes-Benz!“, bettelte Janis Joplin 1967 – ironisch und materialismuskritisch – um eine Luxuskarosse aus Deutschland. Würde sie noch leben, wohl aktuell mit dem Zusatz: „Aber bitte nicht mit Teilen von Bosch!“

KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT