Kampf gegen „Reaktion“

SPD-Chef Schartau verbündet sich mit der Parteijugend

Irgendwann kommt in fast jeder Juso-Podiumsdiskussion der Moment, da irgendein zorniger junger Mann ans Saalmikrofon tritt. So auch am Freitagabend bei der „Kampagnen-Convention“ des SPD-Nachwuchses in Essen: „Wie sind wir denn in die ganze Scheiße hineingekommen“, fragte ein Aktivist. Die Reaktion der rund 100 Diskussionsteilnehmer auf Zeche Zollverein: Kicherndes Amüsement im Plenum, und eine Ermahnung von Ex-Juso-Chefin Andrea Nahles. Es bringe nichts, jetzt weiter über die Agenda 2010 zu streiten: „Lasst uns die große Abrechnung dann machen, wenn die 68er [gemeint waren wohl die regierenden „Enkel“ in der Schröder-SPD, Anm. d. Red.] abgetreten sind.“

Über die Zukunft der SPD als linke Volkspartei sowie über die Ausgangslage zu Beginn des Wahlkampfs vor dem NRW-Urnengang am 22. Mai diskutierten die Jungsozialisten auch mit Landesarbeitsminister Harald Schartau. Der NRW-SPD-Chef sagte im Kühlturm auf Zollverein Erwärmendes für linke Herzen. „Am Ende gewinnen wir die Wahl doch wieder“, sagte Schartau und schwor die Jusos auf die Auseinandersetzung mit der konservativen „Bundesreaktion“ ein. Die Positionen der CDU/CSU zur Abschaffung von Arbeitnehmerrechten seien nicht mehrheitsfähig – darüber müsse man mit möglichst vielen Wählern sprechen, sagte Schartau, um sogleich CDU-Schattenarbeitsminister Karl-Josef Laumann anzugreifen, der „als mein Gegenkandidat aufgewertet wird“. Schartaus Theorie über Laumann: „Der antizipiert die reaktionärsten Positionen und verkauft sie dann als bodenständig-christliche Arbeitnehmerpolitik.“

„Die Leute haben Angst“, beschrieb SPD-Präsidiumsmitglied Andrea Nahles das gesellschaftliche Klima. Auch die Sozialdemokraten könnten gleichwohl nicht den Druck aus dem Wirtschaftsprozess nehmen – das sei die große Fehlannahme der neuen Linkspartei WASG. Rot-Grün müsse vielmehr „Flexicurity“ organisieren, so Nahles: Erforderlich sei eine Konzeption, die Flexibilisierung zulasse, aber neue Sicherheiten, etwa bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, biete. Das müsse die SPD-Gegenposition zum neoliberalen „Klingeldibimmel“ von Rüttgers bis Köhler sein. Die Konservativen hätten sich auf die Seite der Kapitalinteressen geschlagen, so Nahles: „Trotz der einen oder anderen neoliberalen Grille im Kopf ist die SPD dagegen keine anti-etatistische Partei.“

Am Ende versprach man sich gegenseitig, feste Wahlkampf für den Erhalt von Rot-Grün in Düsseldorf und Berlin zu machen. Landeschef Schartau wurde mit viel Beifall verabschiedet. Und der Juso-Tross wurde nach gemeinsamen Abendmahl konkret. Die Jüngsten der Partei fuhren geschlossen weiter zur Geburtstagsparty des Radiosenders EinsLive – um Wahlkampf-Flugblätter an die Party-Gäste zu verteilen. MARTIN TEIGELER