„Weichen gegen Reformen gestellt“

Trotz des Todes von Papst Johannes Paul II. sind keine kirchlichen Reformen zu erwarten, sagt Manfred Brodeßer, Sprecher des „Kölner Netzwerk für eine geschwisterliche Kirche“

taz: Herr Brodeßer, Sie sind gläubiger Katholik. Was haben Sie empfunden, als Sie vom Tod von Karol Wojtyla erfahren haben?

Manfred Brodeßer: Da ist ein beeindruckender Mensch gestorben. Das erfüllt einen schon mit Trauer.

Sie engagieren sich seit Jahren im „Kölner Netzwerk“ für kirchliche Reformen. Wie bewerten Sie Wojtylas Amtszeit als Papst Johannes Paul II.?

Nach außen war Johannes Paul II. offen, aber innerkirchlich hat er konservative Positionen zementiert und sich vom Zweiten Vatikanischen Konzil abgewandt. Das Kölner Netzwerk ist entstanden, weil er Joachim Meisner entgegen allen Regeln und Gepflogenheiten als Erzbischof von Köln durchgesetzt hat.

Johannes Paul II. war auch zwei Mal in Köln. Was haben diese Besuche bewirkt?

Die haben ihn als den freundlichen, zugänglichen Menschen gezeigt, der er zweifellos auch war. Er ist auf die Leute zugegangen. Wenn er zum Weltjugendtag im August gekommen wäre, wäre das wieder genau so gewesen. Das war das Schwierige an seiner Person: innerkirchlich hart, nach außen offen.

Wegen seiner harten Linie gab es bei seinen Besuchen in Köln auch Proteste, wegen ihm sind Menschen aus der Katholischen Kirche ausgetreten.

Vieles, was er initiiert hat, hat zu Austritten geführt. Was er gemacht hat, ist hilfreich für Menschen, die Sicherheit wollen. Aber für alle, die die freie Luft des Konzils gewohnt waren, war seine Wahl zum Papst eine Ernüchterung. Er kommt eben aus diesem polnisch-katholischen Umfeld, das durch jahrzehntelange Abschottung geprägt war.

Erwarten Sie nun einen neuen Reformschub?

Nein. Hunderte von Bischöfen verdanken ihre Ernennung Johannes Paul II. So sind die Weichen gegen Reformen gestellt.

Der Kölner Erzbischof Joachim Meisner war ein Schützling des verstorbenen Papstes. Ist er jetzt geschwächt?

In der deutschen Bischofskonferenz hat Meisner nicht viele Freunde, obwohl in den letzten Jahren viele Bischöfe ernannt wurden, die auf seiner Linie sind. In gewisser Hinsicht ist er schon geschwächt, weil sein Ziehvater gestorben ist. Er hatte sicher besonderen Zugang zum Papst.

Johannes Paul II. war gerade bei Jugendlichen sehr beliebt, wird immer wieder betont. Bedeutet das auch Zustimmung zu seinen Positionen, etwa bei der Sexualmoral?

Natürlich nicht.

Warum war er dann beliebt?

Weil er ein Event-Papst war. Jugendliche fühlen sich bei Massenveranstaltungen, egal ob Popkonzert oder Weltjugendtag, einfach wohl. Das ist ja auch eine gute Möglichkeit, preiswert in der Welt herumzukommen.

Die Jugendlichen mochten den Event-Papst, aber nicht den Sittenwächter?

Ja, Jugendliche sehen das sehr differenziert. Die Positionen gerade im Bereich Sexualität werden von vielen Jugendlichen anders gesehen als von der Amtskirche. INTERVIEW: DIRK ECKERT