Lied von Krieg und Frieden

Helbling inszeniert die Minna als plüschiges Musical

Lessings Minna von Barnhelm erlebt derzeit ein Revival auf deutschen Großstadtbühnen: Jüngst mit Staraufgebot am Deutschen Theater in Berlin, nun im großen Haus des Thalia.

Doch dieses Lustspiel um eine junge Adlige, die nach dem Siebenjährigen Krieg ihren invaliden Liebsten Major von Tellheim wieder für sich gewinnen will, dieses Ränkespiel mit ausgetauschten und umgetauschten Trauringen, vorgetäuschten Schicksalsschlägen – was kann es uns heute noch sagen? Minna war 1767 eine moderne Frau, sie reiste ihrem Verlobten hinterher und machte ihm mit listigem Charme klar, dass er auch als Kriegsverlierer noch eine angemessene Partie für sie sei.

Aber reicht das, um auch heute noch einen Theaterabend lang die Spannung zu halten? Die Komödie allein ist nicht rasant genug, die tragischen Momente sind nicht fatal genug. Und doch – man hätte ein bitteres Stück erzählen können über die Verlorenen in Uniform – die Männer, die nach Kriegsende ihrer Existenz beraubt sind und sich wie Tellheim (Peter Jordan) nur noch krampfhaft an ihrem Säbel festhalten können, weil ihnen sonst keine Stütze geblieben ist. Man hätte erzählen können vom Unvermögen der Frauen, die die zerrissenen Biographien und schwarzen Punkte in der Vergangenheit ihrer künftigen Versorger nicht begreifen wollen. Denn in diesem Punkt ist das Stück tatsächlich zeitlos.

Der Schweizer Regisseur Niklaus Helbling bleibt hingegen im Deutschland von Friedrich dem Großen und steckt seine Darsteller in Rüschen und preußische Armeejacken. Dabei verspricht die erste Szene noch Gutes: Das Ensemble im angestaubten Militärgewand singt ein Soldatenlied und verschwindet wie angeschossen wieder in den Bühnenwänden. Allein bei dieser Andeutung bleibt es. Was folgt, ist Theaterhandwerk mit routinierten Schauspielern und einer herausragenden Maren Eggert. Doch auch sie kann nicht über die Grenzen hinaus, die ihr die Inszenierung setzt. Ein bisschen toben, den verstockten Tellheim angehen – mehr darf diese Minna nicht.

Am Ende des langen Verwirrspielreigens gibt's dann noch ein bisschen Tiefgründiges: Alle versammeln sich unter einem Guernica-Poster und singen den Anti-Kriegs- Song: You're in the army now. Ein letzter Versuch, das aufzuholen, was zuvor versäumt worden ist. Carolin Ströbele