Favoritenlächeln

Alba Berlin übernimmt nach einem verdienten 71:63-Sieg im Spitzenspiel der Basketball-Bundesliga gegen GHP Bamberg die Tabellenführung

VON ANDREAS RÜTTENAUER

Henrik Rödl ist ein temperamentvoller Trainer. Der Coach von Alba Berlin steht während des Spiels mit hochrotem Kopf an der Seitenlinie und versucht seine Anweisungen an die Spieler zu übermitteln. Wenn die Halle voll ist und die Stimmung gut, so wie am Samstag beim Gipfeltreffen der Basketball-Bundesliga gegen GHP Bamberg, geht das nicht ohne Gebrüll ab. Ist das Spiel vorbei, beruhigt sich der Trainernovize schnell wieder und geht zur sachlichen Analyse über. Da kann der Satz, den Rödl nach der Begegnung in die Blöcke der Journalisten diktiert hat, schon als regelrechter Gefühlsausbruch gewertet werden. „Oh, wir lieben die Favoritenrolle“, meinte der heisere und glückliche Trainer nach dem 71:63-Sieg seiner Mannschaft, die mit diesem Erfolg die Bamberger von der Spitze der Tabelle verdrängen konnte und nun wieder in der Rolle des Gejagten ist – in einer Liga, die so ausgeglichen ist wie selten zuvor.

Die Zuschauer in der Hauptstadt sind Siege ihrer Mannschaft gewöhnt. Alba hat alle 13 Heimspiele in dieser Saison gewonnen. Dabei hatten die Fans aber nicht immer Spaß. Denn so manche Partie war alles andere als ein Basketball-Leckerbissen. Das Spiel gegen Bamberg, jenes Team, das die Berliner in der vergangenen Saison im Halbfinale um die deutsche Meisterschaft ausgeschaltet hat, war allerdings ungewöhnlich gut. Dementsprechend gut war die Stimmung in der mit 8.861 Zuschauern ausverkauften Max-Schmeling-Halle. Die Liga mag zwar spannend sein, was viele Fans sicher freut, doch die Qualität lässt eben doch recht häufig zu wünschen übrig. Gästetrainer Dirk Bauermann war ebenso wie sein Berliner Kollege sehr angetan von der Intensität und auch Qualität des Spiels, so als seien sie dankbar gewesen, endlich einmal einer hochklassigen Partie beiwohnen zu können.

Die verlief sicher anders, als so manche Experten gedacht hatten. Unter den Körben, wo die Berliner in dieser Saison regelmäßig dominiert haben, waren die Franken überlegen. Bambergs Center Chris Ensminger holte Rebound um Rebound und hielt auf diese Weise sein Team im Spiel, das beinahe die ganze Zeit über einem Rückstand hinterherlaufen musste. Der sonst so präsente Alba-Center Jovo Stanojevic wurde erfolgreich vom Korb fern gehalten und konnte lediglich einen mageren Rebound holen. Die Berliner hingegen überzeugten dieses Mal mit Würfen von jenseits der Dreipunktelinie, eigentlich eine Bamberger Spezialität. „Das ist sonst nicht unbedingt die Stärke der Berliner“, merkte ein verwunderter Dirk Bauermann an.

Und dann gab es da noch einen Spieler, der alle anderen überragt hat. Albas Matej Mamic bekam sogar ein Sonderlob von seinem Trainer, „obwohl ich das normalerweise nicht mache“. In der Tat hatte der Kroate eine Galavorstellung hingelegt. Er war hellwach in der Verteidigung, hatte seine Gegenspieler immer im Griff, bekam regelmäßig seine Hand in einen Pass der Bamberger und war auf diese Weise hauptverantwortlich dafür, dass die Bamberger regelmäßig Probleme damit hatten, ihre Angriffe in der erlaubten Zeit abzuschließen. Auch in der Offensive war Mamic bärenstark. 15 Punkte erzielte er. Und dennoch wurde er zur tragischen Figur des Spiels. Sekunden vor Schluss lief er allein auf den Bamberger Korb zu und scheiterte beim Versuch, den Ball durchs Netz zu stopfen. Wäre er erfolgreich gewesen, Alba hätte das Spiel mit 10 Punkten Differenz für sich entschieden. Das Hinspiel hatte Alba mit 9 Punkten Unterschied verloren. Sollten Alba und Bamberg am Ende der Hauptrunde punktgleich sein, spräche der direkte Vergleich für die Nordbayern. Doch Henrik Rödl war nicht böse auf Mamic: „Ich fände es unangebracht, wenn ich den besten Spieler der Partie kritisieren würde, nur weil er einen Korbleger nicht verwandelt.“ Sprach’s, lehnte sich zurück und schaute zufrieden lächelnd in die Runde. Alba ist Tabellenführer und wird wieder gefürchtet in der Liga. Der Exserienmeister ist also zumindest eine Woche lang wieder die Nummer eins im Land – und Henrik Rödl glücklicher Favoritentrainer.