Ich oder die

Beim 0:3 gegen die Münchner Bayern tritt offen zutage, warum der VfL Wolfsburg nicht mehr oben mitmischt

WOLFSBURG taz ■ Ein Gedanke zu Chelsea am Mittwoch, Herr Magath? „Schade, dass es nicht ganz so einfach wird wie heute“, sagte der Trainer des FC Bayern München. Er sagte es, ohne zu lächeln, und staubtrocken. Damit ist inhaltlich wenig gesagt über das anstehende Viertelfinalhinspiel der Champions League in London. Aber viel über jenes 3:0 von Wolfsburg, mit dem die Bayern nach Meinung von Felix Magath „einen großen Schritt in Richtung Meisterschaft“ getan haben. Und praktisch alles über die Darbietung des Gegners.

Es wäre etwas unterkomplex, zu sagen, der VfL Wolfsburg habe im nationalen Interesse Rücksicht genommen auf das offensichtliche Ziel Magaths: nämlich drei Punkte zu gewinnen bei weitestgehender Schonung der Ressourcen. Faktisch hat Magath sein Ziel erreicht, sieht man einmal von einer kleinen Unsicherheit beim sicherheitshalber ausgewechselten Roy Makaay und dem Muskelfaserriss des peruanischen Angreifers Pizarro ab. Der war nach strapaziösen Interkontinentalflügen in der vergangenen Woche nach sechs Minuten verletzt ausgeschieden und fällt für Mittwoch aus.

Während die Bayern Wolfsburg schon wieder verlassen hatten, als sie noch physisch präsent waren, muss VfL-Trainer Erik Gerets noch ein bisschen bleiben an einem Standort, der kollektiv damit hadert, dass nichts mehr so ist wie im Herbst, als man achtmal an der Tabellenspitze stand. Die Ruhe ist hin. Gerets gab sich in der Öffentlichkeit lange Zeit jovial und spielerschützend, doch diesmal hatte er einen Ausbruch, als er während der Pressekonferenz von „denselben scheißindividuellen Fehlern“ fluchte, „die zu Toren führen“. Und von Spielern sprach, „die in der Vorrunde auch ihre guten Momente hatten“. Vielleicht, sagt Gerets, „ist die Qualität nicht ganz da für die Qualität, die man anstreben möchte“. Das könnte man philosophisch nennen, wenn die Schuldfrage und das existenzielle Moment nicht so klar hervorträten. Es heißt vermutlich längst schlicht: Ich oder die.

Das Problem ist nicht nur, dass man im Tabellenmittelfeld und „jenseits von gut und böse“ steht, wie Kapitän Jentzsch sagt – sondern dass man genauso spielt. Das Publikum in Wolfsburg ist noch aufseiten des Trainers („Außer Gerets könnt ihr alle gehn“), aber zumindest der inoffizielle Floskelzuständige Pablo Thiam hat bereits verkündet, man könne „jetzt nicht zwanzig Mann rausschmeißen“. Grundsätzlich neu ist die Erkenntnis ja nicht, dass der Kader wohl nicht tief genug ist für einen Spitzenplatz in der Fußball-Bundesliga. Wenn Qualitätsspieler wie Quiroga, Klimowicz, Hristov verletzt, andere wichtige Kräfte nicht in Form sind, es sowieso nicht läuft, atmosphärische Dissonanzen vermeldet werden und man sich den Luxus leistet, Andres d’Alessandro auf die Bank zu setzen, ist ein Auftritt wie der am Samstag nicht unlogisch. Kein Team kann zwei, drei Startspieler von derart begrenzter Bundesligatauglichkeit verkraften, schon gar nicht gegen Bayern. Da, sagt Gerets, „kannst du es dir nicht leisten, im Spiel eins gegen eins nicht zu bestehen.“ Er meinte das letztlich bereits entscheidende 1:0 nach einer halben Stunde. Das war ein Tor, das alles sagte, was es über das Spiel zu sagen gibt.

In einer Situation beiderseitigen Abwartens erhöht der ballführende Sebastian Schweinsteiger plötzlich das Tempo. Es geht zack, zack: Vier, fünf Bayern schalten ebenfalls einen Gang hoch, Wolfsburg kommt nicht mehr mit, Frings tanzt rechts draußen mit einer Links-rechts-Täuschung den dort für den verletzten Weiser verteidigenden Stefan Schnoor aus, flankt in den Rücken der Abwehr, wo der dort längst angekommene Schweinsteiger unbehelligt den Ball aus der Luft und mit der Innenseite ins Tor bugsiert. Der Rest war der Situation angemessen: Hoflands Eigentor (45.), nachdem diesmal Thiam von Schweinsteiger ausgetanzt worden war, Frings’ Kopfballtreffer gegen zwei zaudernde Wölfe (55., Vorlage erneut Schweinsteiger). Drittes Saisontor, zwei Vorlagen, der erste Gegenspieler Rytter zur Halbzeit ausgewechselt: Der Jungnationalspieler war Mann des Tages. Bei Bayern ist er dennoch Ergänzungsspieler. Für Wolfsburg aber war er schlichtweg eine Klasse zu gut. PETER UNFRIED