Abbas greift durch

Palästinenserpräsident entlässt mehrere Chefs der Sicherheitsdienste. Grund: anhaltende Gewalt

JERUSALEM taz ■ Spät, dafür umso heftiger widmet sich Palästinenserpräsident Mahmud Abbas der Reform der Sicherheitsdienste. Hunderte Offiziere – alle über 60-Jährigen – sollen in Kürze in Frührente geschickt werden. Hadsch Ismail, Kommandant der Sicherheitsdienste im Westjordanland, sowie einige lokale Truppenchefs packen bereits ihre Sachen. Grund für den massiven Personalwechsel in der uniformierten Führungsriege sind mehrere Zwischenfälle, bei denen Anhänger der Fatach-nahen „Al-Aqsa-Brigaden“ das Feuer eröffneten. Abbas hatte kritisiert, dass die Sicherheitskräfte ihre Aufgabe nicht erfüllen.

„Wir werden niemandem erlauben, das Recht in die eigenen Hände zu nehmen“, meinte er und bezog sich auf mehrere Schießereien, unter anderem vor seinem Amtssitz in Ramallah, gegen die die Sicherheitskräfte nichts unternahmen. Bereits Mitte November waren Schüsse auf Abbas abgegeben worden, als er in Gaza eine Trauerfeier für Jassir Arafat besuchte. Der damalige Vorfall hatte weder eine polizeiliche Untersuchung noch Verhaftungen zur Folge.

Abbas betonte den Unterschied „zwischen Nationalisten und Verbrechern“. Die „Al-Aqsa-Brigaden“ sind für zahlreiche Anschläge auf Soldaten und Zivilisten in Israel verantwortlich. Offenbar will der Palästinenserpräsident die Widerstandskämpfer von den Randalierern trennen, die in der letzten Woche mehrere Restaurants überfielen und Sachschaden anrichteten. Damit reagierten sie auf den Appel von Abbas an die „Al-Aqsa-Brigaden“, entweder die Waffen abzugeben oder sich den Sicherheitskräften anzuschließen.

Abbas „büßt an Kraft ein“ schrieb die liberale Tageszeitung Ha’aretz vergangene Woche und bezog sich auf provokative Äußerungen von Fatach-Chef Farouk Kaddoumi gegen den „von den Zionisten geförderten“ Abbas. Der in Syrien lebende Kaddoumi stünde auch in Verbindung zu den jüngsten Überfällen in Ramallah. Nach Äußerungen von Awi Dichter, Chef des inländischen israelischen Nachrichtendienstes Shin-Beth, intrigiere sogar Premier Achmad Kurei gegen seinen Chef. Engste Mitarbeiter von Abbas würden „ihn desinformieren“ oder „seine Order missachten“, zitiert ihn Ha’aretz. Abbas und Kurei waren zuletzt über die Formation der neuen Regierung in Konflikt geraten.

Als chancenreichster Nachfolger für das Amt des Kommandanten der Sicherheitskräfte im Westjordanland wird Jibril Rajoub gehandelt, ehemals Chef des palästinensischen Nachrichtendienstes und derzeit Nationaler Sicherheitsberater. Für Hadsch Ismails Erben heißt die Mission: Entwaffnung oder Integration der noch weitgehend autark agierenden „Al-Aqsa-Brigaden“ in die Reihen der Sicherheitsdienste. SUSANNE KNAUL