„Wolfowitz wird sich ändern müssen“

Eine Ablehnung von Paul Wolfowitz als Weltbankpräsident hätte nichts gebracht, sagt Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD). Sie fordert aber politische Kontinuität und ein weiteres Engagement der Weltbank in Schwellenländern

INTERVIEW BERND PICKERT

taz: Paul Wolfowitz wurde letzte Woche zum Präsidenten der Weltbank gewählt – einstimmig. Dabei war seine Nominierung umstritten gewesen, gilt er doch als Vordenker der US-Strategie von Präventivschlägen. Wie taz-Korrespondent Andreas Zumach am 2. 4. berichtete, war die Zustimmung der Europäer ein Gegengeschäft für die Unterstützung der USA für Pascal Lamy als Chef der Welthandelsorganisation WTO. Entscheidet man so über die Besetzung solch wichtiger Posten?

Heidemarie Wieczorek-Zeul: Wenn es irgendeine Absprache gegeben hätte, dann wäre sie jedenfalls nicht mit mir getroffen worden. Jemand wie Pascal Lamy wäre allerdings an der Spitze der WTO wirklich klasse. Das wäre sicherlich auch im Interesse der Entwicklungsländer.

Heißt das, dass die Absprache nicht über Sie, die für die Weltbank zuständige Ministerin, gelaufen ist, sondern über den Bundeskanzler?

Das kann ich nicht bestätigen. Mich hat niemand angesprochen. Aber Andreas Zumach schreibt ja weiter, der Posten des UNDP-Chefs solle von der EU nominiert werden können: Ich unterstütze für diese Position nachdrücklich die norwegische Entwicklungsministerin Hilde Johnson. Sie ist Christdemokratin, aber mindestens so „missionarisch“ wie ich. Sie würde da richtig Power reinbringen.

Wenn die Information über die Absprache nicht stimmen sollte: Wie hat es Wolfowitz dann geschafft, die Europäer – und Sie – zu überzeugen?

Die Frage ist nicht, ob er mich überzeugt hat. Die einzige Chance, einen amerikanischen Vorschlag zu verhindern und gleichzeitig die veränderte Orientierung der Weltbank beizubehalten, wäre gewesen, dass James Wolfensohn im Amt geblieben wäre. Dafür waren wir. Aber als klar war, dass die Amerikaner ihn aus dem Amt drängen, war auch klar, dass wir mit einem amerikanischen Vorschlag konfrontiert sein würden.

Aber Wolfowitz ist ja nicht irgendwer. Hätten Sie ihn nicht ablehnen müssen?

Dann hätten wir einen harten Kampf geführt, um schließlich solche Kandidaten wie Carly Fiorina zu bekommen, die schon Hewlett Packard nicht in den Griff gekriegt hat. Und dafür den Kampf zu führen wäre sicher keine richtige Strategie gewesen. Eine Alternative wäre ein Vorschlag aus den Entwicklungsländern gewesen. Aber der kam nicht. Wir Entwicklungsministerinnen und Entwicklungsminister in der „Utstein-Gruppe“ haben uns deshalb geeinigt, inhaltliche Eckpunkte zu setzen, auf deren Einhaltung wir minutiös achten werden.

Welche Punkte sind das?

Fortsetzung der Armutsbekämpfung im weiten Sinne des politischen und wirtschaftlichen Zugangs. Und alle Europäer sind sich einig, dass die finanzielle Leistungsfähigkeit der Weltbank erhalten bleiben muss. Die Balance zwischen Zuschüssen und Darlehen darf nicht grundsätzlich verschoben werden, und die Weltbank muss auch zukünftig in Schwellenländern tätig sein. Wer sich da rausziehen will, würde nur das Feld frei machen für die amerikanischen Privatbanken, das werden wir verhindern.

Wolfowitz hat angekündigt, er wolle alle wichtigen Funktionen der Weltbank auf den Prüfstand stellen und sehen, ob sich die Weltbank aus Krediten für Länder mit mittlerem Einkommen zurückziehen soll. Ist das nicht die falsche Richtung?

In den zwei Gesprächsrunden und in einem Beschlusstext der europäischen Exekutivdirektoren bei seiner Wahl haben wir ihm sehr klar gemacht, dass es für keinen Europäer akzeptabel ist, aus den Schwellenländern rauszugehen, für die Entwicklungsländer erst recht nicht. Paul Wolfowitz kann alles auf den Prüfstand stellen, aber da würde er sich die Zähne ausbeißen.

Wie hat sich Wolfowitz in diesem neuen Kreis bewegt?

Er wird sehr viel genauer beobachtet, denn er hat die ganze Bürde des Irakkriegs auf seinen Schultern. Einer der Entwicklungsminister hat gefragt, wie Wolfowitz jetzt eigentlich den Schalter umlegen wolle von unilateral auf multilateral. Das muss er ja, denn die Weltbank ist die multilaterale Entwicklungsbank. Und ich hab darauf hingewiesen, dass internationale Rechtsstaatlichkeit auch zu den Voraussetzungen internationaler Entwicklung und der Verhinderung von Gewalt gehört – deshalb muss man auch den Internationalen Strafgerichtshof unterstützen.

Was sagte Wolfowitz dazu?

In Bezug auf den Multilateralismus der Weltbank war er eindeutig positiv. Man kann aber nicht in der Entwicklungszusammenarbeit multilateral sein und unilateral in Bezug auf den politischen, ökonomischen und rechtsstaatlichen Rahmen. Da merkt man die Brüche seiner Position, wo er sich verändern muss, um nicht mit sich selbst in Konflikt zu geraten.

Die Weltbank wird eher Wolfowitz verändern als umgekehrt? Fürchten Sie nicht, dass er sie zum Instrument der US-Außenpolitik macht?

Wenn jemand so eine Funktion hat, dann wird er mitunter im Konflikt mit seiner eigenen Regierung handeln müssen. Das hat er selbst so gesagt. Dabei wird er sich auch verändern müssen.