Die Gunst der Stunde

Der PSV Eindhoven steht heute gegen Olympique Lyon im Viertelfinal-Hinspielder Champions League. Die Holländer wollen diesen Höhenflug versilbern

EINDHOVEN taz ■ Bis vor einem Jahr war Rob Westerhof als Geschäftsführer für Eindhovens Hauptsponsor Philips in den USA und Kanada tätig – und das merkt man. Seit sieben Monaten steht er nun an der Spitze des 17-maligen niederländischen Meisters – und denkt unentwegt an die Erschließung neuer Geldquellen. Fünf Millionen Euro Verlust hat Hollands aktueller Vorzeigeklub im letzten Jahr gemacht, im Jahr davor ein Minus von 15 Millionen Euro. Geld muss also her.

Entsprechende Ideen hat Westerhof reichlich: Unter anderem plant er einen Festgeldfonds für Teile des Stadions, außerdem will er Privatleute in einen Fonds für neue Spieler investieren lassen. Die Voraussetzungen zum Geldscheffeln scheinen derzeit bestens: Eindhoven führt in der nationalen Meisterschaft mit zehn Punkten Vorsprung vor Alkmaar und gilt in der Champions League vor dem heutigen Viertelfinal-Hinspiel bei Bremen-Zerfledderer Olympique Lyon als die große Überraschung. Zudem haben sie vor zwei Wochen beim Erzrivalen Ajax Amsterdam gewonnen. Mit 4:0. „Großartig war das“, schwärmt Westerhof noch immer.

Es läuft also alles wie geschmiert, und deshalb wollen sie in der 200.000-Einwohner-Stadt die Gunst der Stunde zu nutzen. „Ganz stark“ spüre er in der Mannschaft das Bewusstsein, „etwas Einmaliges erreichen zu können“, behauptet Westerhof. Einmalig vor allem, weil Kapitän Mark van Bommel, ihr wichtigster Mann neben Phillip Cocu, dem Rückkehrer aus Barcelona, im Sommer gehen wird – voraussichtlich nach Barcelona; und Mittelfeldkollege Johann Vogel womöglich in die Bundesliga. „Es muss passieren, es kann passieren“, träumt Westerhof vom Champions-League-Sieg des Außenseiters. „Porto“, sagt der 61-Jährige, „hat es im letzten Jahr geschafft.“ Und Eindhoven, bei 50 Millionen Euro mit dem halben Budget von Viertelfinalgegner Lyon ausgestattet, soll es nun nachmachen.

Geradezu eine Selbstverständlichkeit ist unter einem Manager wie Westerhof die verstärkte Präsenz auf dem asiatischen Markt. Schließlich ist PSV-Coach Guus Hiddink in Südkorea eine nationale Ikone, seit er den WM-Gastgeber vor drei Jahren ins Halbfinale geführt hat. Die zwei Koreaner, die er nach der WM mit nach Eindhoven gebracht hat, sind immer noch da. „PSV ist in Asien ganz heiß“, versichert Westerhof und schiebt eine Sportzeitung mit vielen asiatischen Schriftzeichen und großen Bildern von PSV-Profis über den Tisch. Und es sollen noch mehr asiatische Fußballer zu ihnen kommen – zu sportlichen und zu Werbezwecken, und sehr gern aus Nippon. „Japan“, erklärt der Chef, „ist kommerziell interessanter als Korea.“ Fußball spielen können sollte die Neuen aber schon auch, räumt er immerhin noch ein.

Schließlich wartet ein Klub, der gerade mit den Großen in Europa mittanzt; wobei einige der ganz Großen wie Real Madrid, Barcelona oder Manchester United schon ausgeschieden sind. „Schade“ findet Westerhof das. Aus sportlichen Gründen – und weil all diese Klubs „mehr und mehr Einnahmen brauchen“. Und Eindhoven auch.

Gut wäre da künftig ein sicherer Geldregen in der Champions League. Westerhofs Vorschlag: Regionale Wettbewerbe von August bis April, etwa in den Benelux-Staaten, in Südosteuropa oder Großbritannien, aus denen sich die besten Teams für die letzten Runden der Champions League qualifizieren. „Mit so einem europäischen System wären alle länger dabei“, betont der PSV-Anführer, der aber auch weiß, dass Uefa wie Fifa eigentlich mehr Länderspiele im Kalender sehen wollen. „Schwer zu sagen“ sei es deshalb, wann sich die Idee mit dem regionalen Wettbewerb durchsetzen wird: „Vielleicht in drei, vielleicht in fünfzehn Jahren.“

Womöglich schon in einem Jahr muss PSV zwischenzeitlich ohne seinen Chefcoach auskommen. WM-Fan Hiddink hat in Eindhoven zwar einen Vertrag bis 2007. Aber darin steht auch, dass er, sofern es Interessenten gibt, im nächsten Frühjahr wieder einen WM-Teilnehmer für die Endrunde in Deutschland trimmen darf. Der Verein kam dem Wunsch des Trainers nach, genauso wie sie ihn zusätzlich noch zum Sportdirektor gemacht haben. „Er ist eine so spezielle Klasse“, lächelt Westerhof und fragt: „Wen bitte sollen wir zum Boss von Guus Hiddink machen?“ ANDREAS MORBACH