Platz für die Dornige Hauhechel

UMWELT Das Wattenmeer ist neuerdings Weltnaturerbe – mit Ausnahme des Hamburger Teils. Das ist paradox, weil dieses Gebiet besonders gut geschützt ist

Die Unesco ist die Bildungs-, Wissenschafts- und Kulturorganisation der Vereinten Nationen.

■ Auf Basis des 1972 verabschiedeten internationalen Abkommens zum Schutz des Natur- und Kulturerbes vergibt sie den Status „Welterbe“, mit dem die Bemühungen um den Schutz des Erbes der Menschheit anerkannt werden.

■ Derzeit gibt es 878 Welterbestätten, davon sind 679 Weltkulturerbe-, 174 Weltnaturerbe- und 25 gemischte Stätten. Fachlich entscheidend für die Anerkennung als Naturerbe ist die Beurteilung durch die Internationale Vereinigung zur Bewahrung der Natur.

■ In Deutschland gibt es mit der Fossilien-Grube Messel nur eine weitere Weltnaturerbestätte.

VON GERNOT KNÖDLER

Der Wattwurm hat kein leichtes Leben. Im Wechsel von Ebbe und Flut ändern sich seine Lebensbedingungen binnen Stunden komplett: Mal frisst er den Wattboden unter Wasser in sich rein, dann wieder im Trockenen; mal speist er salzig, dann plötzlich süß; mal ist es bitterkalt und dann wieder brüllend heiß, wenn die Sonne auf die frei liegende Schlickfläche knallt.

Lebensräume wie diesen gibt es nicht viele auf der Erde; mit einer Ausdehnung wie in der Deutschen Bucht ist er gar einmalig. Die Kulturorganisation der Vereinten Nationen, die Unesco, hat das niederländische und das deutsche Wattenmeer daher am 24. Juni zum Weltnaturerbe erklärt. Dänemark wurde von der Unesco aufgefordert, seinen Teil nachzunominieren. In Deutschland ist es nur das Zipfelchen Hamburgisches Wattenmeer, dem der Welterbestatus versagt blieb: Der Senat hatte Angst um die Zufahrt zu Deutschlands größtem Hafen und verzichtete daher auf eine Anmeldung. Dabei gelten im Nationalpark Hamburgisches Wattenmeer strengere Schutzauflagen als in denen von Niedersachsen und Schleswig-Holstein.

90 Prozent des Hamburger Nationalparks gehören zur streng geschützten Zone I. Die Fischerei ist nur in drei befahrenen Prielen zulässig. Anders als die Nachbarn hat Hamburg die bewohnte Insel Neuwerk in den Nationalpark einbezogen.

„Neuwerk und das Neuwerker Watt sind wirklich einmalig“, versichert Jens A. Enemark, der Chef des trilateralen „Wattenmeersekretariats“. Hinter den beiden Vogelinseln Schaarhörn und Nigehörn ragt das Watt wie ein Finger weit in die Deutsche Bucht hinein. „Man kommt in die Wildnis“, schwärmt der Däne. Außerdem liege der Hamburger Teil am Mündungstrichter des großen Stroms Elbe, was seinen speziellen Charakter noch verstärke.

Hamburgs grüne Umweltsenatorin Anja Hajduk, die zusammen mit Enemark Ende vergangener Woche die Insel besucht hat, will den Hamburger Teil deshalb bis Februar bei der Unesco nachmelden. Im Senat werde sie dazu jetzt Gespräche aufnehmen. „Es gibt keinen Dissens über das Ob“, sagt Michael Ahrens, Sprecher der CDU-geführten Wirtschaftsbehörde. Offen sei nur die Frage des Zeitpunktes.

Und der wird nicht von Hamburg alleine bestimmt. Zwar war die Hansestadt beim ursprünglichen Antrag dabei. Dadurch, dass sie aus dem Verfahren ausgestiegen ist, muss sie sich jetzt mit den Nachbarländern und -staaten ins Benehmen setzen. „Auch die existierenden Partner müssen an Bord sein“, sagt Enemark. Inhaltlich sehe er aber kein Problem.

„Der Antrag ist alles andere als ne Kleinigkeit, obwohl es sich nur um 1,5 Prozent des Wattenmeeres handelt“, sagt Nationalparkleiter Klaus Janke. Der Antragsteller müsse sich genau mit den Unesco-Regeln auseinandersetzen. Spätestens bis Mitte Dezember müsse der Senat entscheiden, weil der Antrag in einem mehrstufigen diplomatischen Verfahren weitergereicht werden müsse.

Enemark ist überzeugt, dass sich der Aufwand lohnt. Seit der Entscheidung der Unesco sei die Aufmerksamkeit überraschend groß. „Es werden internationale Besucher kommen“, prophezeit der Chef des Wattenmeersekretariats. „Die Leute werden stolz sein.“

Die Bewohner von Neuwerk scheinen sich mit dem Nationalpark nach 17 Jahren gut arrangiert zu haben. Weil hier Mensch und Natur nachhaltig zusammenleben und die Kulturlandschaft ebenso wie die Natur erhalten wird, ist er zugleich ein Musterbeispiel für ein Biosphärenreservat, wie es ebenfalls die Unesco definiert hat. Die 36 Bewohner und ihre Angestellten leben überwiegend vom Tourismus, den der Nationalpark fördert.

Mit dem Wandel in der Landwirtschaft hat der Nutzungsdruck auf die Wiesen des Deichvorlands, die zwei Drittel der Inselfläche ausmachen, abgenommen. Schafe weiden hier schon lange nicht mehr. Pferde und Rinder hier vom Festland aus in Pension zu geben sei teuer, sagt Peter Körber von der Nationalparkverwaltung. „Man bekommt gar nicht mehr genug Tiere.“ Dem Vorland tue das gut, sagt er und zeigt auf ein Kissen aus Pflanzen mit rosa Blüten: Es ist die Dornige Hauhechel, die ihren Charakter nur ausprägt, wenn sich nicht schon im Jugendstadium abgeknabbert wird.