Die Berlin Adler verlieren ihren Superman

AMERICAN FOOTBALL Der US-amerikanische Running Back Tony Hollings ist für längere Zeit verletzt und kehrt in die USA zurück. Mit einem 27:10 Sieg verabschieden sich die Berlin Adler von ihrem Star

„Die Berliner lieben Gewinner. Wenn wir jedes Jahr um den Titel spielen, dann kommen auch mehr Zuschauer“

Es waren wieder nur 878 Fans am Samstag auf der Tribüne im Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark. Aber die machten gewaltigen Lärm, als die Berlin Adler aus den Katakomben marschierten und über ihren Helmen stolz die riesige Berlin-Flagge ins Stadion trugen. Stolz gehört hier dazu wie Cheerleader, Maskottchen und das martialische gegeneinander Anrennen der Männer auf dem Platz. Nur Running Back Tony Tyrell Hollings, ohne Panzerung und auf Krücken gestützt am Spielfeldrand, machte eine zerbrechliche Figur beim 27:10-Erfolg seiner Mannschaft.

Zur Halbzeit führten die Adler souverän mit 21:3 gegen den Aufsteiger aus Essen. Die Defense der Adler, die „Berliner Mauer“, stand auch gegen das Überraschungsteam der Saison fest. Doch die Zufriedenheit der Fans bei Halbzeitritualen in familiärer Atmosphäre wurde unterbrochen, als Adlermaskottchen Lenny den Mann auf Krücken ans Mikrofon führte. Tony Hollings sollte als Running Back eigentlich für schnelle Angriffsläufe der Berliner sorgen. Seine Lauftechnik, mit der er über gegnerische Verteidiger hinwegflog, brachte ihm schon auf dem College den heldenhaften Beinamen „Superman“ ein. Später spielte er für die New York Jets in der US-amerikanischen Profiliga NFL, dann für die Hamburg Seadevils und kam mit Trainer Shuah Fatah diese Saison von den Dresden Monarchs zu den Adlern. Ein echter Star in der German Football League (GFL).

Abschied unter Tränen

Doch als er Abschiedsworte an die Fans richten soll, verschlägt es dem muskulösen Afroamerikaner die Sprache. Mehr als ein „Danke schön“ bringt er unter Tränen nicht heraus. Der Running Back fällt wegen einer Knieverletzung aus und kehrt vorerst zurück in die Vereinigten Staaten. „Ich heiße ihn jederzeit wieder willkommen“, sagte Trainer Fatah, der wohl den größten Anteil an der Serie von nun sieben Siegen in sieben Spielen hat, brachte er doch gute Spieler wie Hollings nach Berlin.

Viel Geld konnten die Adler dem 27-jährigen Hollings dabei nicht zahlen. „Er hat aus Leidenschaft für den Sport hier gespielt, wie wir alle“, erklärt der Trainier und meint damit auch diejenigen, die ehrenamtlich für den Verein arbeiten. Und das sind die meisten bei einem Jahresetat von unter 300.000 Euro. Die wenigen amerikanischen Spieler bekommen kaum mehr als eine Aufwandsentschädigung. Die anderen zahlen einen Vereinsbeitrag und arbeiten neben dem normalen Berufsleben professionell an ihrem Sport.

Professionalität hat Fatah als Trainer in der NFL-Europe gelernt, die 2007 ihren Spielbetrieb einstellte. Mit seinen Taktiken hat er diese Saison die Adler in allen sieben Ligaspielen zum Sieg geführt. „Unsere Vorbilder sind die amerikanischen Colleges, und wir wollen Vorbild in der GFL werden“, sagt Fatah. Dazu gehören der Ausbau des Trainingszentrums, aber auch Spieler wie Tony Hollings, die Strahlkraft im ganzen Land haben. Die Anteilnahme für sein Ausscheiden kam aus der gesamten Liga.

Um die Zuschauerzahlen zu steigern, hat Fatah ein einfaches Konzept: guten Sport zeigen. „Die Berliner lieben Gewinner. Wenn wir jedes Jahr um den Titel spielen, dann kommen auch mehr Zuschauer.“

Am nächsten Sonntag fahren die Adler zu den Hurrikanes nach Kiel. Und wenn die Erfolgsserie auch die Play-offs durchhält nach Frankfurt zum Finale, dem German Bowl – ohne Superman. ROBIN THIESMEYER