„Er soll nie wieder in unser Leben treten“

Pastorin und Ehemann treten als Nebenkläger gegen Ex-Nachbarn auf: Der warf einen Brandsatz ins Haus der schlafenden Familie. Als Motiv für den angeklagten Mordversuch war anfangs die umstrittene Kresnik-Inszenierung vermutet worden

bremen taz ■ „Ich war ganz sicher, dass der Täter ein Fremder sein musste. Ich dachte, niemand, der uns und unsere Kinder kennt, könnte so etwas tun“, beschrieb Hans-Dieter Heimendahl gestern vor dem Bremer Landgericht, wie sehr der nächtliche Brandanschlag auf das Wohnhaus seiner Familie vor fast genau einem Jahr sein Sicherheitsgefühl und das Grundvertrauen in die Menschen erschüttert hat. Seine Frau, Pastorin der Friedensgemeinde, kann die Tränen nicht zurückhalten, als sie berichtet, wie die Kinder – heute zwischen drei und sieben Jahre alt – noch lange brennende Häuser malten, aus denen schreiende Menschen liefen. Das Paar tritt als Nebenkläger im Prozess gegen den ehemaligen 50-jährigen Nachbarn auf, der seit seiner Verhaftung in der Psychiatrie in Bremen Ost zwangseingewiesen ist. Der bis zur Tat als Lehrer tätige psychisch kranke Mann ist des versuchten Mordes angeklagt, sowie der Brandstiftung, der mehrfachen Sachbeschädigung und des Verstoßes gegen das Waffengesetz. Dabei geht die Staatsanwaltschaft von verminderter Schuldfähigkeit aus.

„Ich will Sicherheit, dass er nie wieder in mein Leben und in das meiner Kinder tritt“, erklärte der Journalist und dreifache Vater Heimendahl gestern sein Anliegen an dieses Strafverfahren, das für den Angeklagten wohl mit einer Unterbringung in der Psychiatrie enden wird. Er habe „große Zweifel, ob wir die gesellschaftliche Verantwortung da in die richtigen Hände legen“, formulierte Heimendahl offensiv eine Anklage gegen die Therapeuten, die den Angeklagten im Vorfeld des Brandanschlags betreuten. Seit einer als Selbstmordversuch gedeuteten Gasexplosion 2003 im Haus des Nachbarn sei doch bekannt, dass dieser und seine Frau die fünfköpfige Familie Heimendahl zum Sündenbock für ihr eigenes Missbefinden mache. Doch nicht einmal, als 2004 die ersten Übergriffe auf das Wohnhaus seiner Familie bekannt wurde – Steinwürfe ins Fenster mit Aufschriften wie „Jagd die Pharisäer aus dem Tempel“ und übel wollende Graffiti wie „Kirchen-Schänder“ an der Hauswand –, habe jemand einen Hinweis gegeben.

Unterdessen lebten die Mitglieder der evangelischen Friedensgemeinde in der beunruhigenden Furcht, die Attacken seien gegen die Aufführung der umstrittenen Kresnik-Inszenierung „Die zehn Gebote“ gerichtet. Doch schnell nahmen die Ermittler den Nachbarn K. ins Visier, der sich auffällig verhielt und widersprüchlich äußerte.

Dessen Leben wurde gestern – auch zum Schutz seiner Familie – unter Ausschluss der Öffentlichkeit verhandelt. Dabei kamen die Überforderung des Lehrers durch Beruf und Familie, seine Depressionen und Beeinträchtigung durch Hörstürze, aber auch die empfundene Belästigung durch die kleinen Kinder im direkt angrenzenden Wohnhaus zur Sprache. Vor allem die vom Angeklagten akribisch registrierten Geräusche der Kinder gelten als Motiv für die offenbar gut geplante Anschlagserie.

Die Eltern der Kinder verwahrten sich gestern gegen den Vorwurf der Rücksichtslosigkeit, der auch in der Nachbarschaft gestreut wurde. Vielmehr hätten sie sich „akustisch überwacht“ gefühlt und eingeschränkt – Darstellungen, denen der Angeklagte ohne Anteilnahme folgte. Nur als Ehefrau und Sohn kurz eintraten, um von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch zu machen, bricht der Angeklagte fassungslos und leise in Tränen aus.

Das Haus, in dem er wohnte, hat seine Frau inzwischen verkauft. Für den von ihm angerichteten Schaden an der Wohnungseinrichtung kommen bislang die Opfer mit Hilfe der Kirchengemeinde auf. ede