„Man sollte immer träumen in Europa“

Zehnmal mehr Studenten als jetzt sollten im Ausland studieren, wünscht Luxemburgs Bildungsminister Biltgen

taz: Was könnten andere Staaten von Luxemburg in puncto Studentenaustausch lernen?

François Biltgen: Wir haben ein System, das auf Mobilität beruht. Wenn ein Luxemburger irgendwo studieren will, hat er Anrecht auf staatliche Unterstützung. Wir haben unseren Studenten den Zugang zu Universitäten im Ausland ermöglicht, ohne dass sie die dortigen Unterstützungen in Anspruch nehmen müssen. Und wir haben viele Kooperationsabkommen mit anderen Universitäten unterzeichnet. Aber auch für uns ist es unwahrscheinlich wichtig, dass wir auf unserer Universität Studenten anderer Länder aufnehmen.

Welche Vorteile zieht Ihr Land daraus? I

Sowohl die Durchschlagskraft der luxemburgischen Wirtschaft als auch die intellektuelle Fähigkeit des Luxemburger Systems haben viel dadurch gewonnen, dass unsere Elite in den verschiedensten Ländern studiert hat.

Die EU-Staatschefs haben in Lissabon vereinbart, die EU bis 2010 zum wissensbasierten Wirtschaftsraum zu entwickeln. Was bedeutet das für die Mobilität der europäischen Studierenden?

Man sollte immer träumen in Europa. Ich glaube, es wäre wichtig, dass wir in zehn Jahren zehn Prozent Mobilität in Europa haben. Und dabei sollten wir uns nicht nur auf Erasmus konzentrieren.

Hat Erasmus abgewirtschaftet?

Bei all seinen Mängeln – Erasmus hat den großen Vorteil, dass es das Programm überhaupt gibt. Ich weiß nicht, ob es wirklich klug wäre, Erasmus total umzustülpen.

Aber nur ein Prozent der Studierenden nimmt am Programm teil.

Das ist wenig, aber das ist eine Frage des Haushaltes. Ich denke, dass wir eine Reihe von guten Argumenten finden, damit Erasmus mehr Geld bekommt.

Liegt es nur am Geld?

Erasmus müsste auch Universitäten unterstützen, damit sie Studenten aufnehmen. Das Mobilitätsprogramm ist zu stark darauf orientiert, Universitäten dabei zu unterstützen, ihre Studenten auf andere Universitäten ziehen zu lassen. Zweitens sollten Studenten, die im Ausland studieren, weiterhin Anrecht auf ihre nationalen staatlichen Beihilfen haben. Man könnte das aber mittels gegenseitiger Abkommen regeln, vorausgesetzt, die einzelnen Länder machen mit.

Wieso erwarten Sie Widerstand?

Die Bildungsminister sind sich meistens einig, aber besser ist es, wenn sie auch die Unterstützung ihrer Finanzminister haben.

Im Juni endet die Luxemburgische Ratspräsidentschaft. Welche bildungspolitischen Ziele sollen bis dahin noch erreicht werden?

Es geht uns sehr darum, dass die Staaten das Ziel der Europäischen Kommission, 1,14 Prozent des Bruttoinlandsprodukts in Forschung und Entwicklung zu investieren, umsetzen. Wir hoffen noch zu einer Vereinbarung zu kommen, die zwischen beiden Extremen liegt. Es gibt nämlich einige Länder, unter ihnen Deutschland, die auf einem Prozent festkleben. Dann sind viele europäische Träume sehr schnell ausgeträumt.

INTERVIEW: ANNA LEHMANN