„Ich bin da skeptischer als Schröder“

Joschka Fischer widerspricht dem Bundeskanzler in der China-Politik diplomatisch, aber deutlich. Auch in der Visa-Affäre und dem Gedenkstreit im Auswärtigen Amt versucht der Außenminister mit zuletzt ungewohnter Offenheit Punkte zu machen

VON JENS KÖNIG

Als Joschka Fischer 1996 aus seinem Sommerurlaub in Italien zurückkehrte, hatte er beschlossen, ein neuer Mensch zu werden. Er sprach nach der Trennung von seiner Frau von einstürzenden Himmeln, machte sich auf einen langen Lauf zu sich selbst und wurde zu einem Joschka Fischer ohne Panzer.

Als Joschka Fischer am Montag aus seinem Osterurlaub in Berlin zurückkehrte, hatte er beschlossen, wieder ganz der alte zu werden. Auf dem Weg zurück zum grünen Elefanten ist er ohnehin schon seit geraumer Zeit, jetzt wollte er wenigstens auch noch die gewohnte Kampfeslust zurückgewinnen. In seiner bisher größten politischen Krise, die der grüne Außenminister seit einigen Wochen durchläuft, war er ja auffällig kleinlaut und defensiv geworden. Also gab er jetzt der Zeit ein langes Interview, um mit einem Schlag alles aus dem Weg zu räumen, was ihn daran hinderte, der alte Fischer zu sein: seinen Hochmut, sein Schweigen, seine Gegner.

In dem Gespräch, das in der morgigen Ausgabe der Wochenzeitung erscheint, äußert sich Fischer zum ersten Mal zusammenhängend über seine diversen Krisenherde: Streit mit dem Kanzler über die Chinapolitik, Visa-Affäre, Aufruhr im Auswärtigen Amt über die untersagten Nachrufe für ehemalige NSDAP-Mitglieder. Sein Ton schwankt zwischen Demut und Offensive.

Seinem Bundeskanzler, der das Waffenembargo der EU gegen China aufheben und sich dabei vom Bundestag nicht behindern lassen will, teilt der Minister mit: „Der Kanzler weiß, dass ich hier eine skeptischere Haltung habe – wie meine Partei und Fraktion auch.“ In China habe sich zwar viel verändert, aber in der EU gebe es noch keinen Konsens darüber, ob angesichts der Menschenrechtslage dieser Wandel ausreichend sei. Außerdem hätten die USA Bedenken. „Wer einen Konsens erreichen will“, so Fischer mit Blick auf den barschen Ton Schröders, „der muss versuchen, in Richtung der Kritiker voranzukommen.“

In der Visa-Affäre räumt Fischer erneut freimütig seine Fehler ein und macht den „Versuch einer Erklärung“, der „keineswegs eine Entschuldigung“ sein soll: „Ich hatte das, wie man so schön sagt, nicht in der Intensität auf dem Radarschirm, wie ich das eigentlich hätte haben müssen.“ Die Visapolitik habe er angesichts vieler anderer großer Konfliktherde – Kosovo, Nahost, Afghanistan, New Yorker Terroranschlag – nicht genug beachtet. Außerdem habe er aufgrund seiner früheren politischen Erfahrung zu Rüstungs- und Nuklearexporten oder zu Umweltfragen „ein sehr feines Sensorium“, nicht jedoch zu dem „juristischen Visabereich“.

Im Streit um die Frage, ob frühere NSDAP-Mitglieder in der Hauszeitung des Auswärtigen Amtes geehrt werden dürfen, bleibt Fischer hart: Sein Verbot gilt. „Für mich ist diese Debatte damit abgeschlossen.“ Seinen Kritikern wirft Fischer vor, sich nicht etwa über den Nachruf für einen verurteilten Kriegsverbrecher aufzuregen, sondern über seine Änderung dieser Praxis. Es sei klar, dass hier „Parteipolitik hineinspielt“.

Ist bei Fischer im Laufe der Zeit eine Arroganz der Macht entstanden? „Ich verstelle mich eben nicht“, antwortet er unschuldig. Er sei hart in der Sache und manchmal auch ungeduldig. „Aber das hat alles nichts mit Arroganz zu tun.“