: Verbrannte Hoffnung
Der Einbecker Stoffhändler, der sich und sein Haus anzündete, hatte vermutlich Angst vor Verelendung
EINBECK taz ■ Ein selbstständiger Geschäftsmann: Der 41-jährige Herr V. aus Einbeck, der sich, sein Haus und vier Nachbargebäude vergangene Woche in Brand setzte, besaß ein Geschäft mitten in der Altstadt. Ein Fachgeschäft für Stoffwaren, das zuvor schon seiner Mutter gehört hatte, und, dem Vernehmen nach, auch seinen Großeltern. Über dem Laden hatte er seine Wohnung.
Die Polizei hatte mitgeteilt, Herr V. habe aus Verzweiflung eine Explosion herbeigeführt. Sein kleines Geschäft habe nicht genügend eingebracht, um die Versorgung der kranken Mutter zu bezahlen. Dass die Verwaltung den 41-Jährigen ultimativ zum Hausverkauf aufgefordert habe, zwecks Erstattung der Heimkosten für seine Mutter, wird vom Landkreis Northeim allerdings bestritten. „Wir hatten ihn nur aufgefordert, die Daten zur Verfügung zu stellen“, so der Kreisrat Hartmut Heuer, „und seine Anwältin hat für ihn um Fristverlängerung gebeten.“ Dieser Antrag sei noch nicht einmal abschließend bearbeitet gewesen. „Es gab keine konkrete Forderung.“
Das Haus und die Boutique hatte Herr V. vor zwei Jahren von seiner Mutter überschrieben bekommen, als sie ins Altenheim zog. Vertraglich verpflichtet hatte er sich, ihr im Gegenzug eine Geldrente zu zahlen. Möglich, dass ihn dann doch kurz nach Ostern die kalte Angst vor der Verelendung gepackt hat. In der Nacht zum 31. März jedenfalls, so muss man sich das vorstellen, wird der Stoffhändler begonnen haben, kanisterweise Benzin in sein Haus zu kippen. Auf den Fußboden, in die Wollknäuel und in die Garnrollen, für die sich kaum jemand interessierte: Als Eigenbrötler, als Sonderling beschreiben die Einbecker ihren verstorbenen Mitbürger. Schlechte Voraussetzungen für einen Verkäufer.
Zumal die Konkurrenz groß ist: Direkt gegenüber von Herrn V.s Geschäft gibt es noch eine Stoff-Boutique, einen Steinwurf weiter auf dem Möncheplatz die nächste. Und Woolworth ist ja auch nicht weit. Nachdem er so den Brennstoff verschüttet hatte, muss er eine ganze Weile gewartet haben.
Gegen halb drei Uhr morgens hätten Polizei und Feuerwehr das Haus betreten, und dann sei alles explodiert, heißt es in den Berichten. Die Rettungsdienste herbeigerufen hatten Nachbarn: Denn wenn in der malerischen Kleinstadt Einbeck, jener Perle der deutschen Fachwerkstraße, jemand Benzin vergießt, dann fällt das auf. Auch mitten in der Nacht. BES