Rückblick (3/3)

Meike Jansen, Redakteurin taz-plan/Veranstaltungsproduzentin

2011 war für die Kunst in Berlin ein Jahr. Kein besonders gutes, kein katastrophales, keines, das neue Erkenntnisse brachte, sie eher einfach nur betonte. Es begann, wie es endete, mit der einzigen überraschenden Ausnahme: Yutaka Makino (siehe Tipp). Während die ProduzentInnen Berlins sich genötigt sahen, politisch Stellung zu beziehen, sei es zu den Machenschaften des Regierenden Wowereit und seiner Verschwendungssucht für eine Show, die morgen bereits in Vergessenheit geraten sein wird, oder im Fahrwasser des polnischen Provo-Künstlers Artur Żmijewski, der auch als Kurator der kommenden berlin biennale die Politkeule schwang und den Anschein erweckte, er sei derjenige, der die Berliner KünstlerInnen nun so richtig politisieren würde, überrumpelte Yutaka Makino die BesucherInnen seiner Performances in der FU (club transmediale) und im Berghain (Märzmusik) mit physikalischen Experimenten, die überraschende Einblicke in die individuelle wie kollektive Psyche vermittelten. Einen vollgenebelten Raum von Olafur Eliasson, 2010 noch an Physik für Anfänger erinnernd, verdichtete Makino performativ mit Licht, den Körper angreifenden Sounds und noch viel mehr Nebel zu einem gesellschaftlichen Experiment, das nicht nur gespenstisch Fukushima aufgriff, sondern auch den Ausnahmeort Berghain auf ein neues Level hob. Neun Monate später ist es wieder Makino, der mich lehrt, wie viel Dreck, der mir die Sicht vernebelt, ich tatsächlich mit mir trage.   Seltsamerweise wurde 2011 Moral immer häufiger verächtlich belächelt. „Moralisch zu sein bringt nichts“, erklärte man mir. Politisch zu sein hieß zu oft, dagegen zu sein. Aber das war hip, hip, hip! Zu Ende dachten die Wenigsten ihre Einstellung. Zumal dann nicht, wenn es um den Eigenprofit ging. So gab es am Ende nur eine Institution, die zu „Based in Berlin“ geladen wurde und absagte: die ProduzentInnengruppe General Public. Zu viele versuchten, „den Feind zu unterlaufen, indem sie mit den Wölfen heulten“. Oder bitte, was soll man von den MacherInnen des vonhundert-Magazins halten, die sich inhaltlich gegen den besagten Event richteten, die Release-Party – Betonung auf Party – aber im Rahmen desselben feierten?   Doch nicht nur auf der moralischen Ebene kriselt es. Auch kommerziell schien es 2011 im Argen zu liegen. Das art forum wurde abgesagt, die abc glänzte durch ein verwirrendes Konzept, das die Malerei in den Mittelpunkt rücken wollte, aber alles und jeden in den eigenen Strukturen verstrickte.   Kitty Kraus ging beim Preis der Nationalgalerie für Junge Kunst zwar leer aus, hat aber einen Platz in meinem Herzen gewonnen. Mit ihren motorbetriebenen Apparaten aus Teilen von Einkaufswagen generierte sie ein Bild von um sich schlagenden Messlatten und Schlagstöcken, die an immer wiederkehrende Gegebenheiten eines kapitalistischen Systems erinnern, die unablässig, chaotisch und brutal die Grundtöne unserer Gesellschaft bestimmen.   Für einen kaum bemerkten Überraschungsknaller sorgte der Mann, der, wenn er auch 150 Jahre auf dem Mars leben würde, als Urberliner durchgehen würde: Olaf Metzel. Seine Aluminium-Skulptur aus der Serie „Open Letter“, die auf die mediale Rezeption Gaddafis abzielte, erhielt am Tag der Ausstellungseröffnung bei ph-projects Unterstützung durch so ziemlich jede Zeitung und Nachrichtensendung weltweit, als der Diktator nach monatelangem Aufbegehren weiter Teile der libyschen Bevölkerung zu Tode kam. Nun also ist es vorbei. Welch ein Segen!