Kunst neben dem Kitsch

SCHNOOR Eine Gruppe Bochumer Künstler beendet ihr Nomadenleben und will in Bremen dauerhaft Kunst zeigen. Dem Kitschkommerzviertel könnte das gut tun.

Die Kunst, die es gibt, muss man suchen, zwischen all den Postkartenständern

von Felix Zimmermann

Dirk Lohmann hat bislang ein Leben als Kunstnomade geführt. Immer in Bochum, von Ort zu Ort, zog er in Sachen Kunst. Jetzt ist Schluss damit – Lohmann lässt sich mit der Galerie Kunstbox in Bremen nieder, am Rande des Schnoors. Dem Viertel kann das nur gut tun, denn der Schnoor gilt vielen als heimelig, aber tatsächlich ist das ja nur ein Synonym für Kitsch. Man muss nur zum Nachbarn der Kunstbox gehen. Der verkauft das ganze Jahr über Weihnachtsschmuck oder das, was manch einer dafür hält.

Lohmann, studierter Fotograf, lebte in Bochum, bevor er vor anderthalb Jahren nach Bremen zog. In Bochum nutzte er mit vier Künstlern – Bildhauerinnen, Objektkünstlerinnen und einem Graphiker – leerstehende Ladenlokale für Ausstellungen. „Kunst im Zwischenraum“ nannten sie das Projekt. Sie zeigten eigene Sachen und luden Künstler ein, ihre temporären Auftritte wurden zu Happenings, ohne viel Werbung dafür zu machen, kamen die Leute und sahen sich die Kunst an. Lohmann und die anderen nutzen kleine Läden und große, einmal hatten sie eine leerstehende Bankfiliale zu füllen, mehrere Etagen, aber das schafften sie.

„Kunst im Zwischenraum“ wurde von der Bochumer Wirtschaftsförderung gefördert, um die Innenstadt attraktiver zu machen, und zog immer weiter. Nachdem Lohmann nun in Bremen lebt, wollen sie hier weitermachen mit ihren Ausstellungen – in der Kolpingstraße 18, organisiert als Produzentengalerie, in der verkauft wird, was gezeigt wird. Ohne Förderung, privat finanziert von ihnen selbst.

Dass sie im Schnoor gelandet sind, war viel Zufall und etwas Wunsch. Sie wollten mitten in die Stadt. Das Flughafen-Terminal 3, das sie bislang bespielten, war ihnen zu weit weg. Sie wären auch mitten rein gegangen in das Viertel, dort, wo man schon an durchschnittlichen Tagen oft kurz stehen bleiben muss, weil vor einem jemand ein kleines Häuschen knipst. Ein winziges Ladenlokal bekamen sie nicht, aber die Vermieterin hatte eine Alternative: 40 Quadratmeter, ebenerdig, mit großem Fenster in der Parallelstraße. Darin, sagt Lohmann, sehen sie eine Chance, auch wenn dort weniger Betrieb herrscht. Aber, sagt er, sie würden eh gerne mehr Bremer in die Galerie bekommen. Und die sind im Schnoor für gewöhnlich selten zu finden.

Die Zahlen dazu hat die Tourismuszentrale: 70 Prozent der Befragten in den hauseigenen Studien zu den Zielen der Bremen-Besucher sagen regelmäßig, dass sie auch in den Schnoor gehen. Nach Markt und Rathaus steht er auf Platz drei. Die Dame von der Tourismuszentrale meldet allerdings Zweifel daran an, dass der typische Städtereisende die Zielgruppe einer ambitionierten Galerie sein kann: „Der shoppt und guckt sich etwas an, wird aber kein Bild mitnehmen, das Gros kauft dann doch eher die Stadtmusikanten-Statue“, sagt sie. Was kein Wunder ist, denn die Stadtmusikanten gibt es in jeder Machart an fast jeder Ecke im Schnoor. Aber: „Es wäre schön, wenn sich da auch noch mehr Hochpreisiges ansiedelt“, sagt sie. Als Ergänzung zu niveauvoller Kunst – wie Hilde Holsteins Keramikgalerie –, die man aber hinter Postkartenständern mitunter nicht gleich entdeckt.

Am 2. August, mittags um zwölf, wird die erste Ausstellung in der Kunstbox eröffnet. Günter Filla, einer der Bochumer Kumpel, wird Druckgrafiken zeigen und plastische Präparationen. Außergewöhnliche Kunst, verspricht Lohmann. Bis es soweit ist, muss er noch einige Löcher in den Wänden zuspachteln und den Raum streichen. Aber, sagt er, er habe aus Bochum die Erfahrung, Kunst angemessen zu präsentieren.