Der Auto-Minister

SCHLAMMSCHLACHT Revolverheld, der aus der Hüfte schießt, Vasall des Alten: Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff muss sich viel über seine Rolle bei den Verhandlungen zwischen VW und Porsche anhören

geboren 1959 in Osnabrück. Jurist, in zweiter Ehe verheiratet mit der Pressereferentin Bettina Wulff, zwei Kinder. Noch vor dem Abitur Start einer Bilderbuchkarriere in der CDU.

■ 1978 Bundesvorsitzender der Schüler Union.

■ 1979 Mitglied des Bundesvorstandes der Jungen Union.

■ 1983 Chef der Jungen Union Niedersachsen.

■ Seit 1984 im Vorstand der Niedersachsen-CDU.

■ 1986 Mitglied im Stadtrat Osnabrück.

■ 1989 Vorsitzender der Osnabrücker CDU-Ratsfraktion.

■ 1990 Bezirkschef der CDU Osnabrück-Emsland.

■ 1994 Landesvorsitzender der CDU Niedersachsen.

■ 1998 stellvertretender Vorsitzender der Bundes-CDU und Spitzenkandidat im niedersächsischen Landtagswahlkampf.

Nach zwei Niederlagen gegen Gerhard Schröder (SPD) schlägt er ■ 2003 Nachfolger Sigmar Gabriel und sitzt seitdem in der Staatskanzlei und auch der CDU/FDP-Koalition vor.

VON MICHAEL QUASTHOFF

Am Donnerstag werden die Aufsichtsräte von Porsche und VW absegnen, was die Spatzen von seit Tagen den Dächern pfeifen: Volkswagen schluckt Porsche. Für Christian Wulff, den „Vorstandschef von Niedersachsen“, der sich ungewohnt stark für VW in die Bresche geworfen hatte, eigentlich ein Triumph, aber ein richtiger Gewinner sieht anders aus.

Auf die Frage der Wirtschaftswoche, ob sein Engagement in Sachen VW nicht nach „Filz“ rieche, gab Christian Wulff gestern wieder einmal den christdemokratischen Dalai Lama: „Der Staat als Dienstleister? Ein kommunikativer Ministerpräsident? Das ist Politik im Interesse der Unternehmer und ihrer Mitarbeiter. Ich stelle fest, dass das Verhältnis von Politik und Wirtschaft viel besser geworden ist.“ Ein Statement so freundlich wie nichtssagend – und luzide. Denn bei Porsche in Zuffenhausen sieht man das naturgemäß ganz anders. Uwe Hück, seines Zeichens Betriebsratsvorsitzender, liefert sich seit Monaten mit Wulff einen verbalen Infight ohne Handschuhe. Einen „Revolverhelden, der aus der Hüfte schießt“, nannte Hück den Krawattenmann des Jahres 2006, der so viel Wert auf sein moderates Image legt.

Selbst die Süddeutsche Zeitung attestierte Wulff, sich „zuletzt verhalten zu haben wie ein Vasall des Alten“. Mit dem „Alten“ gemeint war Ferdinand Piëch, Porsche-Erbe und VW-Aufsichtsratschef mit Ambitionen als Alleinherrscher „des größtes Autokonzerns der Welt“ in die Geschichtsbücher einzugehen. Piëch, so vermuten die SZ-Reporter, habe seine Interessen in der Sache längst nicht selbst aufsagen müssen, sondern gleich in die Staatskanzlei gemailt.

Zumindest ist die Kehrtwende des Hannoveraners bemerkenswert. Wiedeking hatte ihn schon 2004 in einem Vier-Augen-Gespräch über den projektierten Porsche-Einstieg bei VW informiert. Wulff gefiel das wohl. Verlierer wäre Piëch gewesen, mit dem er wegen der Entlassung des damaligen Volkswagen-Bosses Bernd Pietschesrieder über Kreuz lag. Nach dem Porsche-Einstieg hätte Piëch wohl seinen Aufsichtsratsposten räumen müssen. Als Nachfolger wäre selbstredend nur einer in Frage gekommen: Christian Wulff. Aber die Sachlage änderte sich radikal, als 2008 klar wurde, dass Porsche eine feindliche Übernahme plant. Voraussetzung für den Coup war: das VW-Gesetz musste fallen. Es räumt Niedersachsen eine 20-prozentige Sperrminorität ein, ohne die bei VW nichts geht. Wiedeking setzte auf die EU-Wettbewerbsdirektion, die angekündigt hatte, das Gesetz zu Fall zu bringen.

Wulff setzte auf Kanzlerin Angela Merkel. Am 15. April 2008 trafen sich die beiden in Charlottenburg beim Italiener „Sale e Pepe“. Beim Nachtisch kam Wulff aufs Wesentliche. Er erklärt der Kanzlerin, was Staatskanzlei- und VW-Juristen schon bis ins Detail ausgearbeitet hatten. Dass sich das VW-Gesetz verändern lässt, wie die EU es verlangt, ohne die in der Satzung festgeschriebene Sperrminorität des Landes anzutasten. Merkel schrieb sich alles auf, brachte den Entwurf ins Kabinett und der Bundestag ließ die „Lex Wulff“ mit 80 Prozent der Stimmen passieren. Dass er dabei seine Finger im Spiel haben könnte, wies Wulff weit von sich: „Solch eine überwältigende Mehrheit kann ein kleiner Ministerpräsident gar nicht organisieren“. Und lächelt als ob er kein Wässerchen trüben könnte.

Konnte er aber doch. Als Wiedeking nicht nachließ und sich das Golfemirat Katar als Investor ins Boot holte, drohte er unverhohlen mit „meinen sehr guten Kontakte zu arabischen Investoren“. Fortan quengelte Wulff fast wöchentlich „Porsche müsse einer Fusion zustimmen“ oder erzählte im CDU-Präsidium der Autobauer sei sei so gut wie gekauft, während seine Spin-Doktoren die Mär in den Redaktionen verbreiteten.

Nun wird Wulff wie es aussieht zu den Gewinnern der Schlammschlacht gehören. Ein wenig Dreck bleibt bei einer solchen Schlacht aber selbst bei einem Saubermann wie Wulff doch immer kleben. Vor allem, wenn ein neues EU-Präsidium das VW-Gesetz eines Tages noch kippen sollte. Dann gehört alles Herrn Piëch allein, und Niedersachsen guckt in die Röhre.