NIEDERGERUNGEN
: Die Schreibmaschine

Aha, du schreibst also auch?

Sie saß da und tippte. Sie hatte eine klapprige, schwarze Schreibmaschine mitgebracht und hockte damit am Rand des Sandkastens. Dass sie kaum zu einem Satz kam, weil die Kinder natürlich neugierig wurden und nur zu gern um dieses mysteriöse Ding herumstanden und staunten und immer mal wieder selbst tippen wollten, schien sie aber gar nicht zu stören.

Vielleicht gehörte das dazu, zu ihrer kleinen privaten Kiezschriftstellerinnenschau, zu ihrem Repräsentieren von irgendwas. So wie die Zigarette, die sie fachgerecht im Mund stecken ließ. Sie sah nicht einmal schlecht aus. Im Gegenteil. Ansprechen war trotzdem nicht möglich: Erstens, was hätte man sagen oder fragen sollen. Tolle Schreibmaschine, ist das eine Olympia? (Die Schreibmaschinen meines Lebens: Adler Triumph, Adler Gabriele, Brother XL 1000) Oder: Aha, du schreibst also auch? Zweiter Grund: Wir waren beschäftigt.

Die Platzhirsche dieses Eckspielplatzes im Norden Neuköllns, die beiden Männer, die nicht nur Väter der hier spielenden Kids sind, sondern Stammspieler der hier befindlichen Steinplatte, forderten uns zum Doppel auf. Es kam zu einem Match, das alle Beteiligten so schnell nicht vergessen werden. Es rang uns Konzentration ab, Gespür, Technik, Ausdauer und taktisches Geschick. Es war ein Kampf gegen die Verhältnisse: Nicht nur, dass unsere Gegner Heimspiel hatten, den Kiez, die Kids, die Aura des Spielplatzes im Rücken. Auch die blendende Sonne, die unmenschliche Hitze forderten Tribut. Dazu haperte es an Abstimmung, denn wir bildeten zum ersten Mal ein Doppel. Der erste Satz ging verloren – denkbar knapp. Was aber dann passierte, ist mit „Das Wunder von Neukölln“ kaum hinreichend beschrieben: Am Ende hatten wir nach kämpferischer Meisterleistung die beiden Männer nach drei Sätzen niedergerungen. Es lebe der Fortschritt. RENÉ HAMANN