Widerstand gegen Bekennerbrief

Der Brief, mit dem Deutschtürken in NRW nach ihrer Staatsangehörigkeit befragt werden, ist nach Meinung eines Anwalts juristisch „unzulässig“. Kölner PDS schaltet NRW-Datenschutzbeauftragte ein

VON SUSANNE GANNOTT
UND NATALIE WIESMANN

Wenn in den nächsten Tagen tausende Deutsche türkischer Herkunft in NRW Post von ihrer Meldebehörde bekommen, sollten sie sich überlegen, ob sie auf den Brief antworten. Der Kölner Rechtsanwalt Hanswerner Odenthal rät, das nicht zu tun, sondern Widerspruch gegen diesen Verwaltungsakt einzulegen.

Der Jurist hält das Schreiben, in dem gefragt wird, ob der Adressat nach dem 1. Janaur 2000 die türkische Staatsangehörigkeit angenommen habe, aus Datenschutzgründen für höchst problematisch. Der Brief richte sich generell an die seit 2000 eingebürgerten Deutschen türkischer Herkunft – ganz ohne konkrete Hinweise. „Diese Rastertechnik ist unzulässig.“ Darüber hinaus sieht Odendahl auch ein „logisches“ Problem: „Warum schreibt man nicht an alle Eingebürgerten oder überhaupt an alle Deutschen einen Brief?“

Pikanterweise hat NRW-Innenminister Fritz Behrens (SPD), der das Schreiben aus Angst vor möglichen „Wahlfälschern“ bei der NRW-Landtagswahl veranlasste (taz berichtete), vor ein paar Wochen selbst auf die rechtlichen Schwierigkeiten hingewiesen. So schrieb er am 16. Februar in einem Brief, der der taz vorliegt: „Eine Befragung, wer zu dem betroffenen Personenkreis gehört, wäre (...) nur auf freiwilliger Basis möglich. Diese würde, abgesehen von der datenschutzrechtlichen Problematik, nicht zu realistischen Ergebnissen führen.“

Zur Klärung dieser Frage hat die Kölner PDS jetzt die NRW-Datenschutzbeauftragte Bettina Sokol eingeschaltet. „Die Erstellung einer Kartei von Deutschen mit türkischem Migrationshintergrund halte ich für äußerst problematisch und makaber“, so Jörg Detjen von der Kölner PDS. Sokols Pressestelle wollte sich gestern noch nicht zu dem Thema äußern. Erst müsse man das Innenministerium nach den rechtlichen Grundlagen für den Brief befragen, hieß es.

Heftig kritisiert wird das Schreiben auch von Tayfun Keltek, dem Vorsitzenden der Landesarbeitsgemeinschaften der kommunalen Migrantenvertretungen in NRW (LAGA): Die Aktion führe bei den Betroffenen zu dem „Gefühl, dass wieder einmal nur türkischstämmige Menschen ins Visier genommen werden, obwohl es eine nicht unerhebliche Anzahl von Menschen anderer Herkunft gibt, die ebenfalls ‚unter Verdacht‘ stehen“, schreibt er in einem Brief an Behrens. Eine „neue Diffamierungswelle“ gegen türkischstämmige Deutsche konstatiert auch der Bundesvorsitzende der „Föderation der Demokratischen Arbeitervereine“ (DIDF), Hüseyin Avgan. Obwohl die meisten Besitzer eines illegalen „Doppelpasses“ von den türkischen Konsulaten und Botschaften „dazu motiviert und aufgefordert wurden, ‚unter der Hand‘ ihren Herkunftspass beizubehalten, werden sie in der Öffentlichkeit als Straftäter diffamiert“.

Avgan mahnt eine politische Lösung des Problems an. Andernfalls werde das Thema zu einer „rechtspopulistischen Kampagne ausgeweitet, die bis zur Bundestagswahl andauert“, fürchtet er. Sein Vorschlag: Wenn die Betroffenen sich melden, sollen sie selbst auswählen können, welche der beiden Staatsangehörigkeiten sie abgeben wollen.“

Eine politische Lösung forderte gestern auch Faruk Sen, Leiter des Zentrums für Türkeistudien in Essen. „Wir brauchen eine Amnestie-Regelung.“ Auch er könne sich vorstellen, dass die Betroffenen zwischen der einen und anderen Staatsbürgerschaft wählen können. Die Aussicht auf Massenausbürgerung habe zu einer schlechten Stimmung unter den türkischen MigrantInnen im Land geführt, so Sen. Er setzt all seine Hoffnungen in das Treffen des Bundesinnenministers Otto Schily (SPD) mit der türkischen Regierung am 11. April. „Die müssen sich was einfallen lassen“, sagt Sen.

Andere MigrantenvertreterInnen befürchten, dass dieses Treffen schlecht für die so genannten illegalen Doppelstaatler ausgeht: Schily könnte Druck auf die türkische Regierung ausüben, damit diese die Namen der Betroffenen herausrückt.