Nordstaat kein Thema

Während CDU und SPD in Schleswig-Holstein enger zusammenrücken, gerät die einst angepeilte Fusion mit Hamburg ins Hintertreffen. Stattdessen wird die Elefantenkoalition Schulden machen

Sie saßen eng nebeneinander: Peter Harry Carstensen, der am 27. April zum Ministerpräsident von Schleswig-Holstein gewählt werden soll, und Claus Möller, Landeschef der SPD. Und sie verkündeten Schönes über das Werden ihres Bündnisses: „Man hat Lust zu arbeiten“, hatte Carstensen festgestellt, als die künftigen Koalitionäre zusammensaßen. Möller wiederholte, eine Koalition um jeden Preis könne es nicht geben. Aber: „Die Chancen auf Einigung sind nicht geringer geworden.“

Ein Elefantenhochzeit habe „nicht immer den besten Ruf“, wusste Carstensen. Aber: „Wir können der großen Koalition einen guten Ruf durch große Leistungen verschaffen.“ In welchen Feldern die sich abspielen soll, haben CDU und SPD bereits festgeklopft, wobei Carstensens Leitlinien irgendwie vertraut klangen: Was schafft Arbeit? Wie bauen wir den Schuldenberg ab? Was verbessert die Bildungschancen der Kinder? Fragen, die der CDU-Mann bereits im Wahlkampf stellte. Neben Schule, Umwelt, Reform der kommunalen Strukturen, Finanzen wird ein Thema jedoch keine Rolle mehr in der großen Koalition spielen: der Nordstaat. Hatte Carstensen vor der Wahl noch davon gesprochen, er könne sich vorstellen, „der letzte Ministerpräsident von Schleswig-Holstein zu sein“, soll jetzt alles bleiben, wie es ist: „Wir werden alles, was möglich ist, mit Hamburg zusammen machen“, sagte der 58-Jährige gestern nach dem ersten Treffen der großen Verhandlungskommissionen von CDU und SPD. Und: „Es wurde immer von der sehr engen Zusammenarbeit zwischen Ole von Beust und Heide Simonis gesprochen – das wird nicht schlechter, eher besser werden.“ Kontakte zwischen Behörden würden höchstens ausgebaut, Projekte, die beide Länder betreffen, gemeinsam angegangen. Aber, erklärte Claus Möller: „In der kommenden Periode wird die Nordstaatdebatte kein Thema sein.“

Die Koalition hat für Experimente kein Geld: Der Haushalt 2005 wird nicht verfassungsgemäß, also mit zu vielen neuen Schulden abschließen. Auf der Basis der jüngsten Steuerschätzungen gingen Möller und Carstensen davon aus, dass im schlimmsten Fall ein Defizit von 800 bis 900 Millionen Euro hinzukommen könnte – Schleswig-Holsteins Schuldenberg würde im Worst Case um 1,5 Milliarden Euro wachsen. Wo genau gespart wird, wollten die beiden Verhandler nicht verraten, schließlich muss darüber noch beraten werden. Kommen wird offenbar die Reform der kommunalen Strukturen, sogar in einer „größeren Lösung, als man sie in einer kleinen Koalition hätte machen können“, erklärte Carstensen. In einzelnen Punkten bleibt es schwierig – wo genau, wollten die beiden nicht sagen. Möller nannte als Beispiel die elektronische Fußfessel für Straftäter: „Da kommen wir nicht zusammen.“ Strittig bleibt, ob der Kieler Flughafen erweitert wird: „Da machen wir dann so ein Konzept“, sagte Möller, der klang, als habe er auf vieles mehr Lust als gerade darauf. Angeblich noch kein Thema sind Ministerposten: „Aber dass wir uns hin und wieder über einiges unterhalten, muss man uns nicht übel nehmen“, meinte Carstensen. Esther Geißlinger