Sinnvolle Anschlussbehandlung

Ambulante Nachsorge könnte vielen psychisch kranken Straftätern den Klinikaufenthalt verkürzen. Zum Einsatz kommt sie noch zu selten, bemängeln Experten

Als sich Silvester für den „Kunstschänder“ Hans-Joachim B. nach 16 Jahren die Pforte der geschlossenen Psychiatrie des Allgemeinen Krankenhauses Ochsenzoll (AKO) öffnete, wurde er nur bedingt in Freiheit entlassen. Regelmäßig muss der 66-Jährige sich bei seinen Therapeuten melden, und kommt er nicht zu ihnen, dann kommen sie zu ihm. Denn Hans-Joachim B. befindet sich in ambulanter Nachsorge, die es für psychisch kranke Straftäter in dieser Form in Hamburg erst seit April vorigen Jahres gibt.

Wissenschaftlichen Erkenntnissen zufolge müssten viele Patienten bei intensiver ambulanter Betreuung gar nicht erst in die Klinik – oder nur sehr viel kürzer als zurzeit. Darauf wies gestern der leitende Arzt des Maßregelvollzuges im AKO, Guntram Knecht, auf einer Hintergrundveranstaltung der Arbeitsgemeinschaft der forensischen Kliniken Norddeutschlands hin.

Die AG wagte den Schritt, das Thema Maßregelvollzug rein aus Sicht ihrer Patienten darzustellen. In der Tat, räumte die leitende Ärztin des Maßregelvollzuges am NKL Lüneburg, Angela Legahn, ein, gibt es etwa unter Sexualstraftätern solche, die eine ausgeprägte Persönlichkeitsstörung haben und nicht therapierbar sind. Daneben aber gebe es eine Reihe Patienten, die auf Behandlungen ansprächen. So wurde am NKL ein erster Durchgang eines speziellen Programmes abgeschlossen. Ausgehend von der Erkenntnis, dass Sexualstraftäter ganz überwiegend erhebliche Mängel an sozialen Kompetenzen aufweisen, erhalten sie zunächst ein soziales Training. In der zweiten Stufe wendet sich die Therapie dann ihrem „abweichenden Sexualverhalten“ zu; danach gibt es einen „Rückfallvermeidungsplan“.

Derartige Programme sind zeitintensiv. Und Zeit für Gespräche und Behandlung, sagte auch Sebastian Stierl, leitender Arzt der allgemeinen Psychiatrie am NKL Lüneburg, ist Voraussetzung für die Heilung psychisch Kranker: „Medikamente sind wichtig, das Wichtigste aber ist die Beziehung zum Therapeuten.“

Dass diese möglichst auch nach der Entlassung aufrechterhalten werden muss, mahnte AKO-Arzt Knecht an. Deshalb sei die Einrichtung der „forensischen Nachbetreuungsambulanz“ überfällig gewesen, in der die Patienten Kontakt zu ihren Betreuern halten können. Eine solche Anschlusstherapie wird oft auch für Straftäter angeordnet, die aus dem Gefängnis entlassen werden. Doch nur in rund 50 Prozent aller Fälle, weiß Knecht, findet sie statt: Nach der Entlassung sind die Krankenkassen für die Finanzierung zuständig. Und die erkennen die Nachsorge als Kassenleistung nicht an. Elke Spanner