LESERINNENBRIEFE
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Es braucht keine neuen Gesetze

■ betr.: „Law and Order ist links“, taz vom 4. 1. 12

Eigentlich kennt man es ja nur zu gut: „Law and Order“ und härtere Strafen als die Problemlösung schlechthin, ob nun für „Problemkieze“, U-Bahn-Schläger, Pädophile oder nun auch Naziterror. Was bislang eine Phrase der „Rechten“ war, soll nun in diesem vor Unsinn nur so strotzenden Artikel als genuin „links“ umgedeutet werden: „Law and Order“ würde den Schutz der Schwachen durch den Staat bedeuten, zentrale Erfassungsdateien die Ermittlung erleichtern oder hohe Strafen die Täter abschrecken. Dass sich all diese Annahmen schon seit Jahren wissenschaftlich und auch selbst in der taz gut dokumentiert als nicht zutreffend, ineffektiv oder in ihrem Zusammenhang bestenfalls zufällig herausgestellt haben – geschenkt. Ebenso, dass „linke“ Politiker aus den USA und Großbritannien als Zeugen angeführt werden, ohne dass klar wird, wer damit gemeint ist: Obamas Demokraten etwa? Oder Blairs New Labour? Jene, die unter dem Deckmäntelchen von „Law and Order“ und Terrorbekämpfung massiv Grundrechte ausgehebelt haben?

Verstörender wirkt vielmehr, wie hier die Angehörigen der Opfer, vermutlich ohne sie überhaupt zu fragen, als Geiseln der Argumentation des Autors genommen werden. Die Ablehnung der Zentralkartei ist für die Betroffenen angeblich „Prinzipienreiterei“ und „Law and Order“ ein „Wahrnehmungswechsel“, der eine „sehr praktische Entschuldigung“ gegenüber den Angehörigen der Opfer wäre. Peinlich nur, dass – wie bei vielen anderen Fällen – das geforderte Mehr an Strafen, Polizei und Überwachung überhaupt nichts gebracht hätte: Der Skandal ist ja gerade, dass die staatlichen Überwachungsorgane im Bilde waren – und dennoch nichts taten. Darüber hinaus sind die Strafen bereits empfindlich: Volksverhetzung, auch rein verbale, kann nach Paragraf 130 StGB mit bis zu fünf Jahren Haft geahndet werden, für Mord steht ohnehin lebenslänglich. Es braucht also keine neuen Gesetze, die bestenfalls, wie Lichterketten, das Gewissen beruhigen und schlimmstenfalls für ganz andere Zwecke (siehe Paragraf 129 a etc.) missbraucht werden. Es bedarf vielmehr der gesamtgesellschaftlichen Anerkennung, dass braunes Gedankengut viel weiter verbreitet ist, als den meisten von uns lieb ist – und dass sich Gesinnungen oder daraus resultierende Gewalttaten, ähnlich wie bei Pädophilen, nicht über Nacht und schon gar nicht durch das Strafgesetzbuch ändern lassen. Dazu zählt auch, den vielen kleinen und effektiven Anti-Nazi-Gruppen innerhalb der vom Autor so geschmähten Zivilgesellschaft nicht weiter die Arbeit durch Gesinnungsüberprüfungen und Ähnliches zu erschweren, sondern ihnen eine breite Unterstützung zuteil werden zu lassen. Doch das ist in einem Klima, in dem auch die taz Leuten Raum für Rufe nach „Law and Order“ gibt, eher utopisch. FREDERIK HOLST, Berlin

Das Handy zu Hause lassen

■ betr.: „Überwachung soll erschwert werden“, taz vom 5. 1. 12

Eine weitaus bessere Empfehlung als die Mitnahme oder der Tausch mehrerer Handys ist, sein Handy einfach zu Hause zu lassen. Es gab auch in Vor-Handy-Zeiten Demos in Wackersdorf und bei der Startbahn West. Fotos kann man mit einer einfachen Digitalkamera machen. Gegen die Befürchtung, die Demo werde langweilig, kann man sich die taz einstecken – die wiegt nicht mehr als ein Handy. Falls man sein Mitteilungsbedürfnis befriedigen will, kann man nach eine/r/m Nebenfrau/mann ohne Handy Ausschau halten und sich von Angesicht zu Angesicht – ohne irgendwelche technischen Hilfsmittel – unterhalten. EVI MEISBERGER, Völklingen

Verführte Kinder

■ betr.: „Die Kindersoldaten der DDR“, taz vom 3. 1. 12

Als ehemalige Schülerin und junge Pionierin der DDR (seit 1961 in der BRD) ärgere ich mich über die tendenziösen Artikel der taz. Auch ist der Begriff „Kindersoldaten“ leichtfertig verwendet – eingedenk wirklicher Kindersoldaten. Das Benutzen von Kindern ist überall in der Welt üblich: So wurde vor die Grundschule meines Sohnes ein Bus der Sparkasse mit neuen PCs gestellt. Die Menschen im westlichen Kapitalismus sind bereits so verführt, dass sie in diesem Punkt überhaupt nicht sensibilisiert sind, da es ja im Interesse des Mainstream-Kapitalismus ist, zu konsumieren. Diese Art der (verdeckten) Verführung wehrloser, naiver Kinder zum Konsum ist genauso anzuprangern! ANNE BERGMANN, Köln

Drogen verharmlost

■ betr.: „Volle Dröhnung“, sonntaz vom 31. 12. 11 / 1. 1. 12

Ich bin enttäuscht. Selten habe ich so einseitige Artikel gelesen. Wie kann es sein, dass in einer kompletten Sonntaz kein einziges Mal die negativen Folgen des Cannabis-Konsums überhaupt erwähnt werden? Was ist mit den Psychosen, dem Rückzug, der Gleichgültigkeit, der Intelligenzminderung, ganz zu schweigen von der körperlichen Abhängigkeit? Mit den jungen Menschen, die wegen jahrelangen Cannabis-Konsums kaum noch Aussichten haben, aus ihrem Leben etwas zu machen? Ich kann es einfach nicht fassen, wie Sie diese Droge verharmlost haben. Auch die Aussage, dass THC „das Wachstum neuer Gehirnzellen“ anregt, („Wer heilt, hat Recht“, Seite 22) ist meines Wissens falsch.

Ich finde, Drogen sind ein wichtiges und sehr heikles Thema. Es mag sein, dass vor allem Cannabinoide ihre Vorzüge haben, aber das ist noch lange kein Grund, nur die positiven Seiten darzustellen. Unter objektiver Berichterstattung verstehe ich etwas anderes. Ich bin fest davon überzeugt, dass ihr das besser gekonnt hättet. Vor allem ein wenig differenzierter. EVA ZWERENZ, Aachen