„Willkommenskurse schaden nicht“

Seit Anfang des Jahres müssen Aussiedler und jüdische Zuwanderer im Aufnahmelager Friedland deutsch und Landeskunde lernen – mit ihrer oft bedrückenden Lebenswirklichkeit hat der Stundenplan jedoch wenig zu tun

Am Anfang, sagt Daniela M., „ist das sehr nützlich, damit man beherrscht die germanische Sprache richtig und, damit man ein bisschen die Regeln kann“. Die 24-Jährige hat gerade einen der „Willkommenskurse“ im Lager Friedland (bei Göttingen) absolviert. Für alle Spät-Aussiedler und jüdischen Zuwanderer, die in Niedersachsen bleiben, sind die einwöchigen Schulungen seit Januar Pflicht. Vormittags ist Deutsch-Unterricht. Bei Spielen wie „Reise nach Jerusalem“ und „Verben-Würfeln“ werden den Aussiedlern rudimentäre Sprachkenntnisse vermittelt.

Sie sollen dabei zumindest soviel Deutsch lernen, dass sie sich vorstellen und orientieren können. Nachmittags steht bei Beamten, Polizisten und Mitarbeitern der im Lager arbeitenden Hilfswerke Landeskunde auf dem Stundenplan. Während Innenminister Uwe Schünemann und sein Wissenschaftskollege Lutz Stratmann (beide CDU) dem Projekt gestern einen „guten Start“ bescheinigten, sind die Mitarbeiter der beteiligten Bildungsträger skeptischer. Fast unberücksichtigt blieben die konkreten Lebensbedingungen, mit denen die meisten Aussiedler nach ihrer Abreise aus Friedland konfrontiert seien. „Die Kurse schaden aber zumindest nicht“, sagt eine Pädagogin.

Häufig wohnen die Aussiedler in eigenen, von der Außenwelt fast abgeschnittenen Siedlungen, Drogen und Kleinkriminalität sind laut Sozialarbeitern in der Szene weit verbreitet.

Seit fast sechs Jahrzehnten ist das Grenzdurchgangslager Friedland Anlaufstelle für Flüchtlinge, Vertriebene und Aussiedler. Der viermillionste Neuankömmling passierte kurz vor Weihnachten das von Ex-Kanzler Konrad Adenauer bezeichnete „Tor zur Freiheit“. Im September 1945 hatte die britische Militärverwaltung die Errichtung eines Auffanglagers angeordnet. Schon bis Ende des Jahres kamen dort eine halbe Million Menschen an, vor allem Vertriebene aus den ehemaligen Reichsgebieten im Osten und entlassene Kriegsgefangene.

Zunächst dienten Schweine- und Pferdeställe auf einem beschlagnahmten Versuchsgut der Uni Göttingen als Notunterkünfte. Dann Armeezelte, Holzbauten und Baracken – die wegen der Läuseplage so genannten „Nissenhütten“. Später wurden Ungarn, die nach dem Aufstand 1956 ihr Land verließen, Pinochet-Gegner aus Chile und „boat people“ aus Vietnam aufgenommen. Jetzt kommen nur noch Spätaussiedler aus Osteuropa. 400.000 waren es 1990, nur noch 73.000 im Jahr 2003. rmp