Alter Schleim in neuen Schläuchen

Manche Geschichten sind so gut, dass man sie immer wieder hören will. Die Geschichte von Judas zum Beispiel, der unsern Herrn Jesus verraten hat. Oder die von Herbert Wehner. Am Montag stellt der Geschichtswissenschaftler Reinhard Müller sein aus wissenschaftlichem Interesse verfasstes Buch „Herbert Wehner – Moskau 1937“ am wissenschaftlichen Hamburger Institut für Sozialforschung vor. Den früheren Mr. SPD entmystifiziert das wissenschaftliche Werk, indem es seine üble Rolle im Zusammenspiel mit Stalins Geheimdienst noch einmal ganz wissenschaftlich aufrollt. „Wozu eine neue Untersuchung?“, fragte ein Rezensent, ohne im Buch eine Antwort zu finden, diese Behauptungen habe man doch „schon vor zehn Jahren im Spiegel“ gelesen. Aber das zählt für die Wissenschaft nicht. Zumal man ja dann auch noch viel weiter gehen könnte: Diese Behauptungen gehören schließlich zum Urschleim der Republik. Noch 1946 ließ SPD-Chef Kurt Schumacher den scharfzüngigen Pfeifenraucher ihretwegen durchleuchten, und als Franz-Josef Strauß selig im Wahlkampf 1980 gegen Helmut Schmidt antrat, spielten sie eine wichtige Rolle. Zu lesen waren sie erstmals schon vor 40 Jahren in der Zeit: Dort erinnerte 1966 der Verfasser eines Dossiers daran, dass Wehner in Moskau just in jener Zeit deutscher Komintern-Verbindungsmann ist, als „die sich gerade anschickt, unter den Exil-Kommunisten ein Blutbad anzurichten.“ 1937 also, Moskau, Hotel Lux, wo Ulbricht und Wehner wohnten, und die Leute des sowjetischen Geheimdienstes „ein- und ausgehen“. Schön, dass Müller, der einst als DKPler schon früh in Moskauer Geheimarchiven nach Bestätigung dafür fahnden durfte, diese noch einmal ausbreitet: Das verleiht seiner Wissenschaft etwas so angenehm Liturgisches. bes

Vortrag: Hamburger Institut für Sozialforschung, Mittelweg 36, Montag, 20 Uhr