berliner szenen Traumpost (10)

Abflüsse und Muster

Das Badezimmer ist leer: keine Badewanne, kein Spiegel. Nichts, außer einer kreisrunden Vertiefung in der Mitte des türkis gekachelten Bodens. Eine nach außen gestülpte Wölbung begrenzt sie. Schön sieht das aus: Die quadratischen Fliesen in diesem beruhigenden Farbton geben dem Raum etwas von einem Hammam. Aber es gibt ein Problem: Der Abfluss ist verstopft. Und wo kann der Abfluss in einem leeren Badezimmer schon sein? Richtig: In genau dieser formvollendeten Wölbung.

Ausgerechnet ich scheine die Person zu sein, die den Schaden beheben soll. Bin ich in meinem Traum Klempnerin? Jedenfalls erkläre ich dem fremden Menschen neben mir, dass zwei Abflüsse darin versteckt sind. Der eine ist direkt in den Boden eingelassen, aber ohne Funktion. Der andere befindet sich am Rand der Wölbung und ist verstopft. Mit einem dünnen Metallrohr versuche ich ihn zu reinigen. Ich kann zwar einige grässliche Ablagerungen hervorholen – der Abguss aber bleibt verstopft. Die grünbraunen verfilzten Schmutzschlangen schwimmen in der Vertiefung.

Aus unerklärlichen Gründen greife ich mit der nackten Hand in die Öffnung, wühle im Abwasser herum und kratze noch mehr ekliger Dinge ab. Danach klebt tiefgrünes Zeug an meinen Händen und will nicht mehr abgehen. Der Abfluss ist plötzlich nicht mehr wichtig. Ich muss mich jetzt um meine Hände kümmern. Ich wasche, schrubbe und reibe an ihnen. Nur teilweise lässt sich der Dreck entfernen. Ein zeitlicher Sprung. Ich entdecke wunderschöne, bunte, in sich geschlungene fadenförmige Muster auf einer weißen Badewanne. Mühelos kann ich sie wie eine Folie von der Wanne ziehen und in einer durchsichtigen Tüte aufbewahren. ANDREA EDLINGER