Mit Scharf

Mein Döner, meine Freunde, mein Block: Heute startet die erste, erfreulich unpeinliche deutsch-türkische Sitcom „König von Kreuzberg“ (Sat.1, 21.45 Uhr)

VON DANIEL BAX

Klingt nach Zwangsehe, zumindest aber nach einer Zwangslage: Der junge Hakan (Navid Akhavan) hat in seinem Urlaub in der Türkei wohl etwas zu kräftig herumgeflirtet. Zurück in Deutschland erhält er nun eine Postkarte von einem der Mädchen, die ihm unverblümt mit einer Hochzeit droht. Zur Bekräftigung hat sie ein Bild ihrer beiden Brüder beigelegt, die so bullig wie schnurbärtig wirken. In seiner Not wendet sich Hakan an seinen besten Freund Attila (Fahri Ögün Yardim), der in einer Dönerbude arbeitet, und bittet ihn um Hilfe.

Allein die schlichte Ballung von Türkenklischees (Döner, Importbräute, böse Brüder) lässt Schlimmstes befürchten. Doch der neuen Sitcom „König von Kreuzberg“ gelingt es schon mit der ersten Folge, durch überraschende Wendungen, glaubwürdige Figuren und unerwartete Pointen praktisch alle Klippen potenzieller Serienpeinlichkeit zu umschiffen. Das ist insofern überraschend, als Migranten bei dieser Sat.1-Produktion lediglich als Darsteller mitwirkten – kein einziger der Drehbuchautoren hat persönliche Migrationserfahrung. Dem Witz hat das dennoch keinen Abbruch getan.

„Ich hätte mich sicher nicht an das Thema getraut, wenn das meine erste Serie gewesen wäre“, gibt Andy Cremer zu, der Kopf des Drehbuchteams: zu groß die Fallhöhe, zu viele Gefahren, im Klischee stecken zu bleiben. Doch der ehemalige Chefredakteur einer Kölner Stadtzeitung hat Erfahrung und bereits für viele andere TV-Serien wie etwa „Bernds Hexe“ oder „Frech wie Janine“ die Scripts zu Papier gebracht.

Für seine „ethnologisch gefärbte Sitcom“, wie er sie nennt, hat er sich an Vorbildern aus den USA, dem Mutterland aller Sitcoms, orientiert: An der „Cosby Show“, die selbst hierzulande noch immer eine Zuschauerquote von sagenhaften 8 Prozent erreicht, wenn Kabel 1 alte Folgen wiederholt. Oder an einer Serie wie „Seinfeld“: Die könne man sich ja auch anschauen „ohne zu wissen, dass es in New York eine neurotische jüdische Community gibt, die sich stundenlang über den Belag eines Bagels streiten kann“.

In Deutschland betritt Sat.1 mit seiner Sitcom rund um eine türkische Dönerbude allerdings noch absolutes Serien-Neuland, darüber sind sich alle Beteiligten klar. Bislang hat sich noch kein Sender auf das multikulturelle Feld gewagt aus Angst vor den vielen Fettnäpfchen: „Wir haben uns Mühe gegeben, auch heikle Themen nicht auszusparen“, meint Andy Cremer und sieht darin einen Unterschied zu Comedykollegen wie „Erkan & Stefan“ oder Kaya Yanar, die „jede Problematik weglassen“, wie er meint. „Kaya Yanar gibt doch bestenfalls in Interviews zu, dass es ihn früher genervt habe, nicht in die Diskothek hereingelassen zu werden“. Beim „König von Kreuzberg“ handelt nun selbstverständlich eine Folge davon, dass die Jungs von einem Türsteher abgewiesen werden.

Trotzdem bemüht sich Andy Cremer, den spezifisch türkischen Aspekt seiner Dönerbuden-Comedy herunterzuspielen und die universellen Anteile zu betonen: „Es geht um eine moderne urbane Großstadtclique“, sagt er. Auch dass die Handlung in Berlin-Kreuzberg spiele, sei letztlich eher eine pragmatische Entscheidung gewesen.

Serientechnisch gesehen ist die Hauptstadt ja ein enorm besetztes Terrain. Der „König von Kreuzberg“ zeigt dennoch eine neue Perspektive: mein Döner, meine Freunde, mein Block. Die schnellen Schnitte sind mit Tarkan-Musik untermalt, und eine Kamerafahrt entlang der Oberbaumbrücke lässt deren Türme gar wie die Minarette einer Moschee wirken: Berlin leuchtet damit nun orientalisch.