Keuchend an die frische Luft

RANDALE Hallen-Fußballturnier muss wegen Fan-Randale abgebrochen werden. VfB Lübeck-Fans provozieren St Pauli-Fanblock, Polizei setzt Pfefferspray und Schlagstöcke ein. 95 Verletzte

„Plötzlich ist diffus mit Pfefferspray herumgesprüht worden, auch Kinder und Familien mussten keuchend die Eingänge der Halle verlassen“

MAARTEN THIELE NETZWERK RECHT AUF STADT

Beim traditionellen Neujahrs-Hallen-Fußballturnier ist es am Freitagabend in der Alsterdorfer Sporthalle zu schwerer Randale gekommen. Nachdem laut Polizeiangaben Fans des VfB Lübeck zusammen mit angereisten Hooligans des Hamburger SV den Fanblock des FC St. Pauli angriffen, kam es laut Augenzeugen während der Partie zwischen Respect United und dem FC Nordjaelland zu einem diffusen Polizeieinsatz mit Pfefferspray und Schlagstöcken. Dabei wurden viele Unbeteiligte verletzt – in der engen Halle brach Panik aus.

Am Ende gab es 95 Verletzte – darunter laut Polizei auch 14 Beamte – und 74 Festnahmen. „Die VfB Lübeck-Fans waren hochgradig aggressiv und haben Ordner angegriffen, wir mussten von Anfang an dazwischen gehen,“ sagt Polizeisprecher Mirko Streiber. Das Turnier wurde abgebrochen.

Seit 26 Jahren findet das Hallenfußball-Turnier wenige Tage nach dem Jahreswechsel statt. War noch anfangs der Hamburger SV das lokale Zugpferd, hat diese Rolle schon längst der FC St. Pauli übernommen. Das erzeugt bei den Fans der Rivalen Aggressionen.

Während anfangs die Polizei offenbar noch bemüht war, die 230 gewaltbereiten Lübecker Fans unter Kontrolle zu halten, die mit Hitlergrüßen und Sprechchören „Zack Zack – Zigeunerpack“ auf sich aufmerksam machten, konzentrierte sich das Interesse später auf die Reaktionen der St. Pauli-Anhänger. „Plötzlich ist diffus mit Pfefferspray herumgesprüht worden, auch Kinder und Familien mussten keuchend die Eingänge der Halle verlassen“, sagt St. Pauli-Fan Maarten Thiele vom Netzwerk Recht auf Stadt. „Die Polizei hat offensichtlich die Eskalation gewollt“, vermutet Thiele.

„Es spielten sich unglaubliche Szene ab“, sagt ein anderer Augenzeuge. „Es wurde verhindert, dass Leute Wasser holen, um bei den Verletzten, die Pfefferspray in die Augen bekommen haben, erste Hilfe leisten zu können“. Das bestätigt auch Thiele. Er selbst habe als Kontaktlinsenträger 20 Minuten warten müssen, bis ein Sanitäter durchgelassen worden sei, sagt Thiele. „Die Bullen waren komplett ausgerastet unter dem Motto: ‚Jetzt gehen wir auf alles los‘.“

Polizeisprecher Streiber verteidigt den Pfefferspray-Einsatz. „Das war – bedauerlicherweise – nicht zu vermeiden, um schwerwiegendere Verletzungen zu verhindern“, sagt er. St. Pauli-Sicherheitschef Sven Brux, der selbst von der Polizei verletzt worden ist, sagt nur: „Der Verein trägt gerade die Vorfälle zusammen und wird sich demnächst dazu äußern.“ KAI VON APPEN