Eine für alle

ZUKUNFTSKIRCHE Zwischen den Glitzerfassaden der Hamburger Hafencity entsteht mit dem Ökumenischen Forum die Kirche von morgen. Komme wer will, und mache, was er möchte, so könnte ihre Losung lauten

Eigentlich werden heute keine Kirchen mehr gebaut – sondern abgerissen oder zu Restaurants, Kindergärten oder Museen umfunktioniert.

■ Die erste Kirche, die in Hamburg nach Ende des Zweiten Weltkriegs abgerissen wurde, war die Heiligengeistkirche in Barmbek 2008. Weder die Gemeinde noch der Kirchenkreis konnten die für die Sanierung benötigten 2,8 Millionen Euro aufbringen.

■ In Norddeutschland mussten allein in den letzten vier Jahren mindestens 30 katholische und 28 evangelische Kirchen ihre Pforten schließen.

VON MAXIMILIAN PROBST

Sappalot, die Hafencity ist doch noch für Überraschungen gut. Eine Kirche soll kommen, und Neubauten von Kirchen in Zeiten des Mitgliederschwunds, der Gemeindefusionen und des Abrisses passen in etwa so in die Zeit, als hätte man während der Euro-Umstellung D-Markscheine nachgedruckt.

Und doch ist das, was in der Hafencity entsteht, alles andere als ein Anachronismus. Im Gegenteil, es sieht so aus, als ob im Elbtorquartier, zwischen dem Maritimen Museum, dem Museum Prototyp und der geplanten Hafencity Universität, die Zukunft des christliche Bekenntnisses verhandelt wird, in Hamburg und vielleicht auch anderswo.

Die Zukunft trägt den Namen „Die Brücke“, und dahinter verbirgt sich ein „Ökumenisches Forum“, das von 18 Hamburger Kirchen unterschiedlichster Ausrichtung getragen wird: von katholischen wie von evangelischen, von freikirchlichen wie von reformierten, von anglikanischen wie von orthodoxen und altorientalischen. Nur gemeinsam lässt sich in den neuen glitzernden Arbeits-, Wohn- und Unterhaltungswelten, wie die Hafencity eine ist, der alte Koloss Kirche stemmen.

Allerdings hat der erheblich an Gewicht verloren. Das Ökumenische Forum wird kein architektonischer Solitär, sondern muss sich als 180 Meter lange Gebäudezeile in die Blockrandbebauung der Shanghaiallee fügen. Hinzu kommt, dass auch die Zentralfunktion des klassischen Kirchengebäudes, Raum für Andacht und Gottesdienst bereitzustellen, in der Hafencity zurücktritt. Ein Multifunktionsgebäude soll’s sein, die Kirche kann sich ja dem Movens der Moderne, der gesellschaftlichen Ausdifferenzierung nicht verschließen. Beten und sich versammeln (in der Kapelle) in allen Ehren, aber der Kirchgänger, scheint’s, will sich heute auch informieren (im Informationszentrum), etwas erleben (im Veranstaltungsraum) und mal ausspannen (im Welt-Café).

Für spirituelle Dauerpräsenz soll die ökumenische Lebensgemeinschaft Laurentiuskonvent sorgen. Die Schwestern und Brüder werden in den oberen Stockwerken unterkommen, die auch genügend Platz bieten für weitere Wohn- und Büroräume. Als Mieter denkt die „Brücke“ an eine Gruppe, von der die Hafencity bislang nichts weiß: Menschen, denen generationsübergreifendes Wohnen kein Gräuel ist.

In eine ähnliche Richtung ging schon der Kirchbau der siebziger Jahre, zumal mit den evangelischen Gemeindezentren, in denen der Gottesraum sinnbildlich neben, nicht über der Altenpflege, der Kindertagesstätte und den Jugend- und Mitarbeiterräumen lag. Wobei sich damals zum ersten Mal das auch in der Hafencity virulente Problem auftat, wie die Multifunktionsgebäude sich von außen überhaupt noch als christlich definieren können. Das evangelische Gemeindezentrum Mümmelmannsberg in Hamburg-Billstedt etwa, eins der radikalsten Bauten jener Jahre, ist von einem Bezirksamt äußerlich nicht unterscheidbar.

Auch den prämierten Entwürfen des Architekturwettbewerbs für die „Brücke“ ist schwerlich anzusehen, das sie einen Sakral- statt einen Geschäftsbau zur Bestimmung hatten. Oberbaudirektor Jörn Walter sprach bei der Vorstellung vom Spagat, dem der Bau gelingen müsse: sich einordnen und doch seine spezielle, christliche Bedeutung hervorkehren. Am nächsten sei dem der Entwurf des Architektenbüro Wandel Hoefer Lorch + Hirsch gekommen, das sein Renommee Sakralbauten wie dem Jüdischen Zentrum in München und der Synagoge Dresden verdankt.

Das Architekturbüro schlägt Klinkerbauweise vor, wobei die einzelnen Steine so versetzt werden, dass der Eindruck von Bewegung, von einer Kurve an der Fassade entsteht. Kenntlich als christliches Bauwerk wird es aber erst durch den in den 1970er Jahren verschmähten Rückgriff aufs Symbol: Aus einer Einbuchtung der Fassade am Eingang schiebt sich ein Kreuz, in eine zweite Konkave auf Höhe der oberen Geschosse schmiegt sich eine Glocke.

Der Entwurf und die Pläne für die „Brücke“ haben das Zeug zum Prototyp. Etwas verschämt macht die Kirche von morgen deutlich, dass sie immer noch eine sein will, und schert sich nicht um Abgrenzung. Komme, wer will, und mache, was er möchte: Wesleytage begehen, Gedächtnismahle abhalten, Kreuzerhöhung feiern.

Hier deutet sich an, dass die kommende Kirche – die Kosten von etwa 12 Millionen Euro tragen die beiden evangelischen Großkirchenkreise Hamburg, bis 2011 soll sie stehen – selbst ein Übergangsmodell sein könnte. Für einen vollkommen konfessionsfreien Raum. Für einen Raum aber, der ausgerichtet bleibt auf das, was die weltlichen Stützpfeiler jedes religiösen Gebäudes sind: Begegnung und Besinnung.