„Welthandel demokratisieren!“

Die Liberalisierungspolitik vernichtet auch hierzulande Arbeitsplätze, sagt Jürgen Maier von „Gerechtigkeit jetzt!“ aus Bonn. Denn gerechter Welthandel nutze letztlich allen Menschen

INTERVIEW: SUSANNE GANNOTT

taz: Gestern startete die „Aktionswoche für globale Gerechtigkeit“ mit einer Konferenz in Bonn. Was versprechen Sie sich von der Woche?

Jürgen Maier: Die Proteste gegen die Politik der Welthandelsorganisation (WTO) haben in den letzten Jahren weltweit zugenommen. Jetzt wollen wir formulieren, was wir uns unter einer gerechten Welthandelspolitik vorstellen.

Nämlich?

Wir haben in jedem der 70 teilnehmenden Länder eigene Forderungen formuliert. In Deutschland fordern wir erstens, dass die Sicherung der Ernährung Vorrang vor der Handelsliberalisierung bekommen muss. Zweitens, dass Umweltschutzabkommen eindeutig vor WTO-Regeln gehen müssen. Drittens, dass Zivilgesellschaft und Bundestag besser informiert und in Entscheidungen mit einbezogen werden. Handelspolitik muss demokratisiert werden. Und viertens: Kein Ausverkauf der Wasserversorgung an Konzerne! Wasser ist nicht irgendein Handelsgut, sondern ein Menschenrecht, ein Grundlebensmittel.

Wenn Sie sagen, selbst der Bundestag hat bei der WTO nicht viel zu sagen: Können Bürger überhaupt noch Einfluss nehmen?

Genau dafür wollen wir Möglichkeiten aufzeigen. In der Aktionswoche machen wir nicht nur viele Veranstaltungen, sondern auch eine Postkarten-Aktion an Bundesminister Wolfgang Clement. Wenn deutlich wird, dass diese Themen viele Menschen bewegen, wird das Folgen haben. Denn Clement will die nächste Wahl gewinnen. Die Aktionswoche versucht, das diffuse Unbehagen gegenüber der Globalisierung, sichtbar und zum politischen Faktor zu machen.

Wo kann man längerfristig in NRW aktiv werden, wenn man sich für eine „gerechte Globalisierung“ engagieren will?

Man kann das Thema als Verbraucher in die Hand nehmen, indem man fair gehandelte Produkte kauft. Deswegen sind ja auch viele Weltläden in der Kampagne „Gerechtigkeit jetzt!“ aktiv – und überhaupt viele lokale Gruppen und Kirchengemeinden. In Herne unterstützt uns etwa die Gruppe FIAN (FoodFirst Informations- und Aktionsnetz), in Bad Honnef die Katholische Landjugend. Und in ganz NRW machen die vielen Mitglieder des Eine-Welt-Netz-NRW mit.

Aber ist gerechter Welthandel überhaupt ein Thema, das die Menschen bewegt? Wie sollen sich Leute für gerechten Welthandel interessieren, wenn Sie Angst um ihren Arbeitsplatz haben?

Wenn heute alle laut darüber nachdenken, wohin sie ihre Arbeitsplätze verlagern könnten, wo es billiger ist, die Arbeitsstandards niedriger sind, dann ist das eine Konsequenz aus der WTO-Politik. Wegen der WTO-Gesetze sind wir nicht in der Lage, Arbeitsbedingungen zu einem Kriterium im Handel zu machen. Wir können heute nicht mehr sagen, in China werden grundlegende Arbeitsrechte missachtet, deshalb reduzieren wir den Import chinesischer Produkte. Insofern ist das Thema gar nicht so weit weg.

Trotzdem bewegt die Globalisierungskritik nicht gerade die Massen. Könnte das auch daran liegen, dass unser Lebensstil von der Ausbeutung des Südens abhängt? Wir müssten materiell auf einiges verzichten, wenn wir Ernst machten mit gerechtem Handel.

Wer dazu nicht bereit ist, wird bald dumm gucken. Mit der schrankenlosen Verlagerung von Arbeitsplätzen in den Süden graben wir uns selbst das Wasser ab. Irgendwann gibt es überhaupt keine Kaufkraft mehr. Das heißt, eine Regulierung des Welthandels nach sozialen und ökologischen Kriterien steht auf der Tagesordnung – sonst haben wir irgendwann zehn Millionen Arbeitslose. Daher kommt auch das diffuse Unbehagen an der Globalisierung: Die Leute wissen zwar, sie haben auch Vorteile davon, aber die Nachteile werden offenbar immer mehr. Es kann auch in unserem eigenen Interesse so nicht weitergehen.