Frauen in Bedrängnis

Frauen-Rugby fristet in Deutschland ein noch dunkleres Schattendasein als das Rugby der Herren. Dabei gibt es auch im Frauen-Rugby Nationalteams und es gibt eine Europameisterschaft, die dieses Wochenende in Hamburg ausgetragen wird

Von Wilfried Hippen

Bei einem erfolgreichen Tackling wird die mit dem Leder-Ei laufende Frau festgehalten und zu Boden gerissen. Im Gedränge verkeilen sich Spielerinnen der gegnerischen Teams ineinander und versuchen einander wegzudrücken. In den zweimal 40 Minuten eines Spiels wird fast ständig mit vollem Körpereinsatz gerangelt, gestoßen, gerempelt und gedrückt.

Kaum eine anderer Sportart wirkt so kämpferisch wie Rugby. Während es international ähnlich populär wie Fußball ist und in seiner Weiterentwicklung zum American Football gar zum Nationalsport der USA wurde, interessiert sich in Deutschland kaum jemand für Rugby. Hier herrschen noch weitgehend die Vorurteile vom brutalen Haudrauf-Spiel. Als etwa bekannt wurde, dass eine Wäscherei in Bremen kostenlos die Trikots des Vereins Union 60 Bremen reinigte, empörten sich viele Kunden so sehr darüber, dass der Sponsor die Förderung wieder einstellte. Und dann auch noch Frauenrugby?

Mit knapp 400 Aktiven sind die Frauen im Rugby in diesem Land die Wenigen unter den Wenigen. Mit wenigen Ausnahmen wie etwa dem FC St. Pauli werden sie von ihren Vereinen kaum gefördert, oft müssen sie sich zu Spielgemeinschaften zusammenfinden, um so zumindest die Siebener-Teams für die Regionalligen zusammen zubekommen.

Das Geld ist so knapp, dass die Teams bei Auswärtsspielen in Schlafsäcken in Jugendherbergen übernachten und die Kosten selber tragen. Die Nationalmannschaft musste im letzten Jahr 15 Stunden lang mit einem Reisebus zu einem Länderspiel nach Toulouse fahren, weil man sich einen Flug nicht leisten konnten, und entsprechend müde waren sie dann auch am nächsten Tag auf dem Spielfeld. Unter solchen Umständen sind die Spielerinnen meist leidenschaftliche Überzeugungstäterinnen wie etwa Freia Michau vom FC St. Pauli, die als 21-Jährige eine Spielerfahrung von 18 Jahren hat, weil sie zu einer norddeutschen Rugbydynastie gehört und schon als Dreijährige mit dem Vater und Bruder aufs Spielfeld ging. Jetzt denkt sie darüber nach, ob sie ein Angebot aus dem französischen Lille annehmen soll, wo sie als Semiprofi ganz andere Spielmöglichkeiten als in Deutschland hätte. Aber zumindest medienstrategisch ist den deutschen Rugbyfrauen ein grandioser Spielzug gelungen, als sie durchsetzen konnten, dass die diesjährige Europameisterschaft in Hamburg ausgetragen wird.

Das Stadion am Millerntor passt mit seinem Außenseitercharme ideal zu diesem Turnier, bei dem mit den Nationalmannschaften von Italien, Holland, Schweden und Deutschland allerdings nur die schwächeren Teams gegeneinander antreten. Denn die erfolgreicheren Spielerinnen aus Wales, Frankreich, England, Irland, Schottland und Spanien verzichten in diesem Jahr auf die Teilnahmen an den Europameisterschaften, weil sie sparen müssen, um sich im nächsten Jahr ihre Teilnahme an den Weltmeisterschaften in Kanada leisten zu können. So besteht die Europameisterschaft aus ganzen vier Spielen, von denen die beiden Halbfinale vergangenen Donnerstag stattfanden.

Wie erwartet verloren die Deutschen gegen die haushohen Favoritinnen aus Italien, so dass sie am heutigen Samstag gegen die Schwedinnen um Platz drei spielen, während die Italienerinnen gegen die Holländerikämpften.

nnen im Finale antreten. Der deutsche Nationaltrainer Gerard Scappini hatte sich über die Chancen seines Teams schon vorher keine Illusionen gemacht: Seitdem die Italienerinnen von Benetton finanziell massiv gefördert werden, ist das dortige Spielniveau enorm gestiegen.

Wichtig für Trainer Scappini ist, dass durch die EM „Werbung für das Frauenrugby“ gemacht wird. Was durchaus gelungen ist: Die deutschen Spielerinnen behaupteten sich besser auf dem Platz, als es das Endergebnis von 52:0 Punkten beim Match gegen die technisch weit überlegenen Italienerinnen vermuten lässt. Das deutsche Team wehrte sich so beherzt, dass sie sich gewiss nicht blamiert haben. Mit Sprechchören wie „Wir wolln Euch kämpfen sehn“ unterstützten die 553 BesucherInnen auf der Tribüne die 15 deutschen Spielerinnen, die bis zur letzten Minuten mit aller Kraft kämpften. Dabei gelangen den Deutschen dann auch einige erfolgreiche Tacklings, und Angriffsläufe, aber am Spiel der Italienerinnen konnte man beispielhaft erleben, wie wichtig Strategie und Schnelligkeit beim Rugby sind: Da kann man dann durchaus von Eleganz reden, wenn eine Angriffsspielerin genau in der Sekunde, bevor sie zu Boden gerissen wird, einen Pass zu ihrer Mitspielerin wirft, die mit perfektem Timing genau auf der richtigen Höhe auftaucht und den Ball weit ins gegnerische Feld tragen kann.