Baustopp bei der Oberstufe

Bildungssenatorin verschiebt geplante Reform auf unbestimmte Zeit. Schulen sollen lieber selbst Neues ausprobieren. Versuchsweise Abschaffung des Sitzenbleibens

Die Reform der Oberstufen soll verschoben werden. Sie werde nicht wie ursprünglich vorgesehen zum 1. August 2006 eingeführt, erklärte jetzt Bildungssenatorin Alexandra Dinges-Dierig (parteilos). Sie könne auch noch nicht sagen, „wann“ die Reform starte. Allerdings forderte sie die Schulen auf, den „Mut zu haben, ab dem nächsten Schuljahr einige Dinge auszuprobieren“.

Die parteilose Senatorin sprach am Donnerstagabend bei einem Hearing im Margaretha-Rothe-Gymnasium, zu dem Elternräte und Experten geladen waren. Anders als erwartet, stellte sie jedoch kein Modell vor. „Ich will Ihnen keine Antwort geben, um mich nicht einzuschränken“, sagte Dinges-Dierig zu einer Elternrätin auf deren Nachfrage: „Wir wissen alle, dass es nicht das Top-Modell gibt.“

Zuvor allerdings hatte Thomas Schröder-Kamprad, Leiter der Abteilung Berufsschulen, erklärt, er plane für die beruflichen Gymnasien das Modell Baden-Württembergs einzuführen. Dieses macht unter anderem Deutsch, Mathe und Englisch zu Abi-Prüfungsfächern und schafft die klassischen frei wählbaren Leistungskurse ab. Eine Vision, die unter den Elternräten einmütigen Widerspruch provozierte.

Die Oberstufe sei von Dinges-Dierig „kaputtgespart worden“, erboste sich ein Elternrat. Gleich mehrere Elternräte warfen der Senatorin vor, sie habe mit dem Hearing das „Thema verfehlt“, da die oftmals beklagten fehlenden Basisfähigkeiten in Deutsch, Mathe und Englisch in der Mittelstufe gelernt werden. „Sie haben keine Schwächenanalyse gemacht“, sagte ein Vater: „Stehen Sie unter Druck, reformieren zu müssen, nur weil es gerade opportun ist?“

Offenbar nicht, wie die Verschiebung zeigt, über die sich die Elternräte erleichtert zeigten. Allerdings ist die Reform damit nicht vom Tisch. Dinges-Dierig will neue Rahmenvorgaben der Kultusministerkonferenz abwarten, die bereit sei, „von bestimmten Einschränkungen abzulassen“. Deutliche Sympathie äußerte sie erneut gegenüber dem Modell der Profiloberstufe an der Max-Brauer-Schule, bei der Schüler Fächerkombinationen wählen. Ein Modell, das nach der GAL nun auch die Senatorin zur Nachahmung empfiehlt.

Kein Gehör findet bei ihr die Forderung nach mehr Geld. Die Kritik des Kaputtsparens sei „unsachlich“, weil für die Oberstufe immer noch mehr ausgegeben werde als für die Grundschule, blockte Dinges-Dierig ab.

Statt mehr Geld soll es für die Schulen die Freiheit geben, „auf bestem Wege ihr Ziel zu erreichen“, das hatte Dinges-Dierig bereits tags zuvor vor dem Elternverein angedeutet. Dabei kündigte sie einen für CDU-Verhältnisse ungewöhnlichen Modellversuch an: Ab nächstem Schuljahr können Schulen testweise auf das Sitzenbleibenlassen verzichten. Kaija Kutter