Wer früh liest, übt sich

Die Initiative „Leselust“ fördert nun schon seit drei Jahren das Lesen an Bremer Schulen. Prominente und weniger prominente Bremer kommen zum Vorlesen. Denn Lesen – so die Botschaft – macht Spaß, und wer gut liest, hat bessere Zukunftschancen

Am Anfang der Bremer „Leselust“ standen zwei Schlagworte, die allzu oft bemüht worden sind: „Pisa“, gern gebraucht als Auftakt zu zahnlosen Forderungen nach neuen Bildungsoffensiven und „Bürgergesellschaft“ als Allheilmittel für all die Aufgaben, aus denen sich die Politik zurückzieht. Die „Leselust“ hat es nicht bei den Beteuerungen belassen. 2002, als der Pisa-Test die Schwächen der deutschen Schüler beim Lesen offen gelegt hatte, war der Bremer Bildungspolitikerin Ulrike Hövelmann eines klar: „Es wird viel zu wenig vorgelesen“. Gemeinsam mit Barbara Lison, der Leiterin der Stadtbibliothek und Uwe A. Nullmeyer, dem ehemaligen Geschäftsführer der Handelskammer gründete sie die Initiative „Leselust“. Das Prinzip ist denkbar einfach: Prominente Lesebotschafter lesen Bremer Schülern – und mittlerweile auch Kindergartenkindern – vor. Zu Beginn waren es zwölf Botschafter, heute sind es über 110 an 71 Schulen.

Die Arbeit ist ehrenamtlich, denn die „Leselust“ hat kein Budget. Umso wichtiger sind Sponsoren und Erfindungsreichtum. Die Bremer Bürgerstiftung finanziert Bücherpakete, die Stiftung Lesen übernimmt die Schulung der Vorleser. Und oft hilft kreative Selbstvermarktung: Als Ulrike Hövelmann das Projekt in Berlin vorstellte, hat sie die Referentin des Bundeskanzlers überzeugen können, eine Berlin-Reise als Preis für den Lesewettbewerb „KlassenLeseLust“ zu spenden. Dort entstand ein gemeinsames Foto mit Bundeskanzler, Schülern und einem großen Plüsch-Exemplar der Bremer Stadtmusikanten. Dieses Foto wiederum hat die „Leselust“ gegen Sachspenden dem Spielzeughersteller und der Tourismuszentrale überlassen.

Das sind die plakativen Höhepunkte der Initiative – nicht jeder Lesebotschafter ist so prominent wie Bürgermeister Henning Scherf und nicht jeder Leseausflug führt zum Kanzler. Aber dass der Finanzsenator beim offiziellen „Gegenbesuch“ die Kinder bei sich empfängt, ist ein wesentliches Signal: Kinder – und vielfach solche aus sozial schwierigen Bezirken – erfahren, dass sie willkommen sind, auch an den Entscheidungs-Orten der Stadt, zumindest für einen Nachmittag. Auch über nicht-prominente Vorleser freut sich die Initative, so wie über die 20 Freiwillige aus einem Seniorenstift und die Migrantengruppe, die gerade das Vorlesetraining absolviert hat.

Grenzen überschreiten: Das ist immer wieder Thema bei der „Leselust“. „Ich habe mir überlegt, wer nie in die Weserburg kommt“, sagt Ulrike Hövelmann und hat eine Klasse aus Bremen Nord in das Museum eingeladen. Und umgekehrt erfahren Rechnungshofpräsident, Finanzsenator oder Polizeipräsident bei ihren Besuchen in den Schulen unmittelbar, wie unter Sparzwang versucht wird, Bildungsarbeit zu betreiben. „Mein Ziel ist es, an jede Schule eine Schulbibliothek zu bringen“, sagt Ulrike Hövelmann. Es bleibt abzuwarten, ob das allgemeine Leselob sich in etwas so Konkretes und eben auch Kostenpflichtiges umwandeln lässt.

Friederike Gräff