Armee hält Reichstag

GELÖBNIS Die Bundeswehr will das Gelöbnis künftig immer am Reichstag abhalten. Die Gegner fordern eine Demo in der Nähe

„Warum veranstaltet die Bundeswehr das Gelöbnis nicht gleich im Bundestag?“

CHRISTIAN PESTALOZZA, JURIST

VON SVENJA BERGT
UND KONRAD LITSCHKO

Die Botschaft ist eindeutig. „Es gibt keinen besseren Ort für dieses feierliche Gelöbnis, als im Angesicht des deutschen Parlaments“, sagte Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) am Montagabend beim öffentlichen Gelöbnis der Bundeswehr. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sieht das so. „Das ist genau der richtige Ort, denn mit Ihrem Wehrdienst stehen Sie mitten in unserer Gesellschaft“, sagte sie, indem sie sich an die Rekruten wandte. Damit scheint zementiert, dass das Gelöbnis auch künftig auf der Wiese vor dem Reichstag stattfinden wird.

Noch im vergangenen Jahr mussten Bauarbeiten im Bendlerblock als Begründung herhalten, um das Gelöbnis dort stattfinden zu lassen. Inzwischen aber ist die leise Kritik des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit (SPD) und des Linkspartei-Chef Klaus Lederer gegen diesen Ort verstummt.

Die Militärgegner wollen sich der Entscheidung hingegen nicht einfach beugen. Grundsätzlich sei natürlich das Ziel, dass die Gelöbnisse, ob öffentlich oder nicht, ganz aufhören, erklärt Frank Brendle von der Gelöbnix-Initiative. Aber: „Wenn die Bundeswehr mit einer derartigen Selbstverständlichkeit einen zentralen Platz besetzen darf, dann müssen wir auch das Recht haben, zeit- und ortsnah zu protestieren.“

Nachdem sowohl das Berliner Verwaltungsgericht als auch das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg im Eilverfahren der Polizei recht gegeben haben, will die Initiative mit einem Fortsetzungsfeststellungsverfahren eine grundsätzliche Entscheidung erzwingen. „Man kann uns nicht einfach einen Kilometer entfernt halten“, sagt Brendle.

Unterstützung bekommen die Antimilitaristen aus der Politik: Stefan Gelbhaar, Landesvorsitzender der Grünen, hält die Proteste für „das gute Recht der Stadtbewohner und ihrer Gäste“. Die Proteste gegen „ein Zeichen der Normalität von Bundeswehr im öffentlichen Raum“ müssten wahrnehmbar sein. Das ginge nicht, wenn das Gelöbnis hermetisch von der Außenwelt abgeschirmt werde.

Christian Pestalozza, Rechtsexperte für Versammlungsrecht an der FU Berlin, schließt eine generelle Verbannung der Demonstranten vom Gelöbnis aus: „Die polizeiliche Entscheidung über die Protestauflagen muss jedes Jahr neu entschieden werden.“ Dazu gehöre eine konkrete Prüfung aktueller Demonstrationsaufrufe und Anmelder.

Könnten die Organisatoren plausibel nachweisen, dass von ihren Teilnehmern keine Störungen zu erwarten seien, müssten sie wieder näher ans Gelöbnis herangelassen werden. Auch die Bundeswehr könne sich öffentlicher Kritik nicht verwehren. „Sie hat aber das Recht auf den Schutz ihrer Veranstaltung“, so Pestalozza. Dass es diesmal ruhig blieb, spreche für gelockerte Auflagen im nächsten Jahr – allerdings nur, wenn dies nicht durch Aufrufe zu Störungen konterkariert werde.

Laut Pestalozza könne aber über einen „weniger demonstrativen“ Ort für das Gelöbnis diskutiert werden: „Wenn die Bundeswehr die Nähe zum Parlament sucht, warum geht sie dann nicht gleich in den Bundestag hinein?“