unterm strich
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Angesichts des riesigen Pilgerstroms zur Totenmesse auf dem Petersplatz, wo gestern der Sarg mit dem Leichnam des verstorbenen Papstes aufgebahrt wurde, brandete in der Redaktion eine kleine Debatte auf: Was bedeutet das eigentlich für die Zukunft des Säkularismus? Ist das nun ein Zeichen für den Anbruch der postsäkularen Gesellschaft (Habermas), für eine Rückkehr der Religion? Oder doch eher, so die pragmatische Lesart, ein Ausdruck der Ausdifferenzierung der Gesellschaft: Die einen gehen dieser Tage eben in die Kirche oder jetten nach Rom, die anderen weiter unberührt ins Kino oder verreisen nach Mallorca.

Im Buchhandel macht sich die gestiegene Nachfrage nach Büchern von und über den gestorbenen Papst Johannes Paul II. jedenfalls deutlich bemerkbar: In seiner neuesten Ausgabe berichtet das Börsenblatt, dass bereits mehrere Titel in der vergangenen Woche vergriffen waren. Laut dem Börsenblatt gibt es derzeit allein 62 Buchtitel, als deren Autor oder Mitverfasser Johannes Paul II. angegeben ist, mehrere hundert Titel über ihn seien allein in deutscher Sprache erschienen. Ein Band mit Gesprächen von Johannes Paul II., „Erinnerung und Identität“, ist auf der Spiegel-Bestsellerliste von Platz 14 auf den 9. Rang geklettert, und die Taschenbuchausgabe der Biografie „Johannes Paul II. – Das Geheimnis des Karol Wojtyła“ liegt jetzt auf Rang 14. Und wie passt dazu die Meldung, dass Dan Brown mit seinen Romanen „Sakrileg“ und „Diabolus“ auch diese Woche wieder die Bestsellerlisten anführt? Das weiß nur Gott.

Zahlreiche deutsche Verlage haben nach eigenen Angaben zudem geplante Neuerscheinungen vorgezogen: Am 18. Mai wäre der Papst 85 Jahre alt geworden – ein Datum, zu dem die Verlage ohnehin überarbeitete Biografien planten. Doch die Logik des Buchmarkts kennt nur eine kurze Zeit der Pietät: Bereits in fünf Wochen wird es auch die ersten Biografien über den neuen Papst geben.

Im traditionell eher unreligiösen Berlin pilgern die Trauergäste allerdings zu einem anderen Ort: Dort findet am Samstag in der Gedächtniskirche am Breitscheidplatz die Trauerfeier für Harald Juhnke statt. Vor einer Woche war der Schauspieler und Entertainer nach mehrjähriger schwerer Krankheit im Alter von 75 Jahren in einem Pflegeheim nahe Berlin verstorben. Seit vergangenem Samstag liegt im Roten Rathaus ein Kondolenzbuch aus, in dem nach Schätzungen des Senats bereits fast 1.000 Bürger ihre Trauer bekundet haben. Bei dem Gottesdienst werden Berlins Bürgermeister Klaus Wowereit, Thomas Gottschalk und der ZDF-Intendant Markus Schächter Trauerreden halten.