Das Spaß-Privileg

Schauspieler Oliver Korittke ist für fast jeden Unsinn zu haben – zum Beispiel für die Tuning-Show „Pimp my Fahrrad“ (Sa., MTV, 20.00 Uhr)

VON CLEMENS NIEDENTHAL

Um zu Oliver Korittke zu kommen, muss man sich tief in den Berliner Westen aufmachen. Mit der S1 vorbei am gutbürgerlichen Steglitz, wo die Eltern des Schauspielers in der geteilten Stadt eine Eckkneipe betrieben. Vorbei an den ehemaligen Wohnanlagen der amerikanischen GIs, denen der Teenager Korittke die Begeisterung für Turnschuhe abguckte. Längst gilt seine Sneakers-Sammlung als legendär.

An der Wand jener Gründerzeitvilla, in deren erster Etage Korittke bei der journalistischen Edelkrawallschachtel Ulf Poschardt zur Untermiete wohnt, lehnt derweil ein weiteres Spielzeug, ein gestrecktes Bonanzarad in Schlangenlederoptik und mit einer ausladenden Harley-Davidson-Gabel: Heute Abend um 20 Uhr wird Oliver Korittke als Gastgeber von „Pimp my Fahrrad“ durchs Musikfernsehen demmeln. Junge, freakige Menschen mit alten, angeschlagenen Fahrrädern werden dann „offiziell aufgepimpt“. Eben wie in der MTV-Autoaufmotzsaga „Pimp my Ride“, auf dessen Ästhetik „Pimp my Fahrrad“ auch surft.

Oliver Korittke ist in den alten Westen der neuen Hauptstadt zurückgekehrt. Wenn auch ein paar Kilometer weiter südwestlich – ganz nah am Wannsee – die Bäume ein wenig höher wachsen als vor dem elterlichen Ausschankbetrieb: „Ich will, dass die Leute sehen, der Typ aus der Eckkneipe in Steglitz hat’s auch geschafft. Der hat ’ne große Fresse gehabt und auch mal daneben gehauen. Aber der hat sein Ding gemacht.“

Er sagt so was ohne Groll. Und ohne falsche Attitüde. Wie sich Korittke überhaupt ungern auf Attitüden festlegen lässt. Kein leichtes Unterfangen für einen, der in der aufkeimenden Vielfalt der Lebensstile in den Neunzigern schnell seine Schublade gefunden zu haben schien. Filme wie Christopher Roths „Looosers“ (1995) oder die Ruhrpottstory „Bang Boom Bang“ (1999) stilisierten Korittke, der irgendwann in den Achtzigern von der Schulbank in den Schauspieljob gepurzelt ist, zum sympathischen Hänger aus der Realität von nebenan. Ein Slacker wie er im Buche steht, das gerade aus dem Amerikanischen übersetzt worden war. Eine Zeit lang sahen Rollenangebote für Oliver Korittke danach vor allem folgendermaßen aus: „Du kiffst die ganze Zeit und musst mit zehn Kilo Marihuana im Kofferraum von da nach dort fahren.“

Dabei, so der Mann, der an diesem Nachmittag unter anderem geborgte New Yorker Hotelpantoffeln trägt, „bin ich eigentlich ein recht sortierter Mensch“. Da könne man sich ruhig in seinen Schränken und Schubladen umgucken. Wobei als erster Beweis schon die nach verschiedenen Themenfeldern sortierten Plastikfiguren im Treppenhaus genügen – Star Wars, Shrek, Kiss, rare japanische Irgendwers. Mehrere hundert werden es sicher sein.

Oliver Korittke gehört zu jener letzten Generation, für die das Ausstellen von popkulturellen Interessen noch nicht zum selbstverständlichen Gestenrepertoire gehört hat. Die das Konzept Jugend noch nicht als Lebensmotto mit auf den Weg bekommen hatten. Stattdessen hat der 37-Jährige das Konzept Jugend selbst gewählt. Oder eben das Konzept Korittke, mit dem er zwischen 1997 und 1999 an der Seite von Jürgen Tarrach als „Musterknabe“ brillierte. Damals, als das ZDF endlich einmal vieles richtig gemacht hatte. Und eine Krimiserie erfunden, die Quentin Tarantinos Verhältnisse auf zwei deutsche Vorstadt-Cops übertrug.

Der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalt allerdings wurde es bald zu wild. Oliver Korittke – „bei so was bin ich kein Elefant“ – blieb den Mainzern trotzdem treu. Spielte fortan schon mal den Familienkomödienpapa. Und demnächst in den gleichermaßen erfolgreichen wie angenehmen „Wilsberg“-Krimis, in denen er durchs pittoreske Münster ermitteln wird. Zunächst aber wird Oliver Korittke Fahrräder aufmöbeln. „Ein großer Spaß“ sei das. „Aber ich habe ja eh das Privileg, ziemlich oft Spaß zu haben.“