„Österreichs Regierung ist stabilisiert“,sagt Peter Filzmaier

In Haiders BZÖ können emotional zwar die tollsten Dinge passieren. Doch Machtwille wird die Koalition erhalten

taz: Herr Filzmaier, Jörg Haider hat mit einigen Getreuen die FPÖ verlassen und das „Bündnis Zukunft Österreich“ (BZÖ) gegründet, das von Bundeskanzler Schüssel als Koalitionspartner akzeptiert wurde. Welche Perspektive hat das BZÖ?

Peter Filzmaier: Langfristig wird nur eine der beiden Parteien überleben, das BZÖ oder die alte FPÖ. Schließlich streiten sich die beiden um die selben Wähler. Für das BZÖ ist die nächste Nationalratswahl entscheidend, wann immer sie sein wird. Wenn sie nicht in den Nationalrat einzieht, war sie ein Kurzzeitsplitter in der Politgeschichte Österreichs. Die FPÖ droht allerdings in der Versenkung zu verschwinden. Sie wird bei einer Landtagswahl nach der anderen verlieren, vielleicht aus den Landtagen fliegen.

Was bedeutet der Wechsel für die Regierungskoaltion?

Es ist paradox, aber die Regierung hat sich durch die Neugründung stabilisiert. Denn der kleine Kreis von Ministern, den das BZÖ darstellt, bildet mit der ÖVP momentan eher eine Interessengemeinschaft, bis Herbst 2006 weiterzuregieren, weil Neuwahlen für beide wenig chancenreich wären. Dass emotional beim BZÖ die tollsten Dinge passieren können, wissen wir. Aber die Interessengemeinschaft spricht eher dafür, dass die Koalition hält.

Das heißt, Haider wird mit seinem Schachzug, den lästigen Teil seiner Partei wegzusprengen, Erfolg haben?

Nur wenn man die Aktion im Zusammenhang mit der Negativspirale der FPÖ seit 2002 betrachtet. Die FPÖ erreicht in Umfragen sechs, sieben Prozent, mit Tendenz nach unten. Zu erwarten, dass sie frühere Ergebnisse aus den Glanzzeiten erreicht, wäre absurd. Es ist irgendwo zwischen Befreiungs- und Verzweiflungsschlag zu sehen. Ein Befreiungsschlag, um aus dieser Todesspirale herauszukommen, eine Rückholaktion der letzten Getreuen, die auch schon weglaufen wollten. Im Idealfall kann das BZÖ etwa zehn Prozent der Stimmen bekommen, um rechnerisch ein Regierungspartner zu sein. Mehr ist nicht drin.

Das BZÖ erinnert doch an Länder der Dritten Welt, in denen sich oft ein paar Honoratioren zusammentun und glauben, sie sind eine Partei …

Das ist längerfristig ein Dilemma. Kurzfristig kann man das durch die große Medienöffentlichkeit ausgleichen. Aber wir haben hier eine Gründung von oben herab, während Parteien normalerweise von unten nach oben gegründet werden, zuerst gibt es eine Basis, die schrittweise wächst. Es gibt in Österreich einen sonst nicht passenden Präzedenzfall: das Liberale Forum, das sich von der FPÖ getrennt hat und zunächst bei Wahlen erfolgreich war. Es ist an seinen mangelnden Strukturen gescheitert.

Was trauen Sie dem zukünftigen FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache zu, der auftritt wie der junge Haider und mit Populismus auf Wählerfang geht?

Die Parallelen aufgrund von Alter und Typus bieten sich an. Beide versuchen, die Globalisierungsverlierer zu gewinnen. Das Problem von Strache ist: Er hat nur ein sehr schmales Zeitfenster. Demnächst sind Landtagswahlen im Burgenland, in Wien und in der Steiermark, wo überhaupt unklar ist, ob die alte FPÖ kandidieren kann.

Trotzdem hat er Infrastruktur und Finanzen, die dem BZÖ fehlen.

Nicht nur, er hat auch die Schulden der FPÖ. Die Parlamentsförderung wird das BZÖ bekommen. Die Parteienförderung hat Strache. Aber wegen der hohen Schulden der FPÖ hat er nicht viel Geld. Bei Haider weiß man es nicht. Da gibt es ja Gerüchte über Finanzierung durch Industrielle.

Wenn Schüssel jetzt ein weiteres Mal mit seiner Allianz scheitern sollte, ist er dann endgültig beschädigt?

Da würde ich vorsichtig sein. Wenn sofort gewählt wird, sind BZÖ und FPÖ-alt von der Vernichtung bedroht. Schüssel und die ÖVP liegen derzeit ungefähr dort, wo sie bei den Neuwahlen 2002 lagen. Platz eins für die ÖVP wäre durchaus möglich, aber ein möglicher Partner fällt weg. Sein Problem ist, dass er nachher in den Koalitionsverhandlungen sehr schlechte Karten hat.

Manche meinen, Schüssel hat innerhalb der Ministerien auf Bundesebene inzwischen so viele Positionen mit seinen Leuten besetzt, dass es künftig unmöglich sein wird, gegen die ÖVP zu regieren.

Richtig ist, dass Netzwerke länger halten als Parlamentsmehrheiten. Das wissen alle politischen Parteien und das weiß auch die ÖVP.

Kann es sein, dass SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer deshalb im Falle eines Wahlsiegs eine große Koalition vorzieht?

Natürlich wäre es schwer, mit einer rot-grünen Koalition in den Ländern mit ÖVP-Landeshauptleuten und in staatsnahen Institutionen etwas umzusetzen. Er wird aber alle Karten bis zum spätestmöglichen Zeitpunkt behalten.

INTERVIEW: RALF LEONHARD