DIW-Konjunkturchef umstritten

Berufungskommission des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung nominiert Alfred Steinherr. Gewerkschaften kritisieren Bruch mit der keynesianischen Tradition

BERLIN taz ■ Das zumindest in konjunkturpolitischer Hinsicht einigermaßen richtungslos vor sich hin dümpelnde Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin bekommt einen neuen Konjunkturchef. Oder auch nicht. Geht es nach der Berufungskommission, soll künftig Alfred Steinherr die Richtung vorgeben. Doch im Kuratorium des DIW regt sich Widerwillen.

Steinherr ist schon jetzt kommissarischer Leiter der Konjunkturabteilung. Der 61-Jährige war im Januar zunächst nur für ein Jahr nach Berlin geholt worden, nachdem der bisherige Konjunkturchef, Gustav Horn, mit der Begründung geschasst worden war, er habe nicht genügend in wissenschaftlichen Fachzeitschriften publiziert. Mit Horn und dessen Vorgänger Heiner Flassbeck war das DIW in Deutschland einer der wenigen keynesianischen Felsen in der neoklassischen Brandung gewesen.

Die Berufung Steinherrs wäre ein Bruch mit dieser Tradition. Von sich selbst hat er einmal in einem Interview gesagt: „Ich bin kein Keynesianer.“ Wo er sich verortet, sagte er nicht – schließlich vereine doch jeder moderne Ökonom heutzutage neoklassische wie auch keynesianische Ansätze. Doch in einem vergangene Woche im Handelsblatt erschienenen Gastkommentar machte er aus seinen wirtschaftspolitischen Überzeugungen keinen Hehl. „Man denkt eben immer noch mit den Werten der sozialen Marktwirtschaft“, schrieb er abschätzig über die, die den Personalabbau der Deutschen Bank nicht richtig goutieren wollen. Stattdessen solle man sich endlich mit den Spielregeln der globalen Wirtschaft vertraut machen und einsehen, dass weder Moral noch Politik Arbeitsplätze schaffen.

Für die Gewerkschaften, die in Person von DGB-Vorstand Heinz Putzhammer im 15-köpfigen DIW-Kuratorium vertreten sind, ist so einer als konjunkturpolitische Leitfigur untragbar. „Einem Mann, der Fundamentalkritik an staatlichen Interventionen zugunsten der Beschäftigten übt, stehen wir ablehnend gegenüber“, erklärt der Chefökonom des DGB, Dierk Hirschel. Steinherr, der zuvor für den Internationalen Währungsfonds (IWF) und die EU-Kommission arbeitete und anschließend das belgische Konjunkturforschungsinstitut Ires leitete, ist seit 1995 Chefökonom der Europäischen Investitionsbank (EIB) in Luxemburg und zugleich Professor an der Freien Universität Bozen. Dort wurde er als Rektor von den Dekanen hinausgeworfen, unter anderem wegen mangelnder Präsenz am Arbeitsplatz, wie das ff – Südtiroler Wochenmagazin berichtet. Die letzten Monate teilte sich Steinherr zwischen drei Jobs auf – in Berlin, Bozen und Luxemburg. NICOLA LIEBERT