… die Gedenkstätte an der Bernauer Straße?
: Mauern

In die Gedenkstätte Berliner Mauer an der Bernauer Straße zieht es überwiegend zweierlei Besuchertypen: Der erste ist der sogenannte Tiefblickertyp, also jener, der Einsichten in die Geschichte des Mauerbaus und der Teilung der Stadt von 1961 bis 1989 gewinnen möchte. Die Stiftung Berliner Mauer hat hierfür auf der Gedenkmeile Infostelen, Fotos und rostbraune Mauerchiffren aus Cortenstahl aufgestellt. Die Tiefblicker können sich drin versenken.

Der zweite Besuchertyp ist der sogenannte Weitblicker. Weil der ehemalige Todesstreifen als Mahnmal weiträumig angelegt ist und sich vor allen Dingen am Übergang vom Berliner Urstromtal zu den Hanglagen des Prenzlauer Bergs befindet, haben Besucher hier einen tollen Blick über die halbe Stadt. Bei gutem Wetter kann man hinüber bis zum Alexanderplatz und zum Schöneberger Gasometer schauen.

Für die Anwohner (Weddinger und Prenzlberger) der Bernauer Straße in Höhe der Strelitzer Straße haben sich die Stiftungsgewaltigen offenbar noch die spezielle Art des Schutz- oder Wallblicktyps ausgesucht. Wird jenen doch gerade eine neue Mauer vor die Nase gesetzt. Direkt auf dem Gedenkstreifen entsteht eine Betonwand, die beinahe zehn Meter breit und sogar noch höher ist als die einstige Berliner Mauer. Die Sicht von der Weddinger Seite hinüber zum Grenzstreifen ist verstellt, umgekehrt ist es genauso. Realisiert wird das Bollwerk von den Berliner Architekten Mola und Winkelmüller, die bereits das rostbraune Besucherzentrum entwarfen.

„Muss in Berlin bei allem und jedem erst mal eine Mauer hochgezogen werden?“, fragen sich nun die Anwohner. Mit den Kontakten zu den Nachbarn sei es wegen des steinernen Vorhangs vorbei, und herumgehen um das Monstrum müsse man ebenso, wird gemotzt. Zugleich halten sich hartnäckig Gerüchte, die Stiftung habe gemeinsame Sache mit der Jugendschutzbehörde gemacht, weil eine Anwohnerin der Neubauten an der Bernauer Straße ihr WC hinter Fensterglas und wie eine Vitrine zum Mauerstreifen hin inszeniert hat. Wird das für zu gefährlich gehalten?

Nein, nein, nein, sagt Mauergedenkstreifen-Projektleiter Günter Schlusche. „Wir bauen einen Schutz und überdachen die archäologischen Befunde der einstigen Grenzhäuser, deren Kellergewölbe hier ausgegraben wurden und ausgestellt sind.“ Dafür würde die Wand, auf die noch im rechten Winkel ein Vordach kommt, hochgezogen. Er sagt zwar nicht „Schutzwall“, räumt aber ein, dass für die Kellerreste erst gar keine Wand-Dach-Konstruktion geplant war und dann noch „verschiedene, leichtere, aufgeständerte und durchbrochene Varianten“ untersucht worden seien. Für die jetzt im Bau befindliche Mauer samt Überdachung, so Schlusche, habe sich die Stiftung zusammen mit der Denkmalpflege entschieden, um die Kellerreste „langfristig zu konservieren“. Die Mauer bilde Schutz vor Regen, Eis und Spritzwasser. Es handle sich schließlich um außergewöhnliche Funde der Häuser Nummer 9, 10 und 10 A, aus denen 1961 die Menschen flüchteten und deren Bilder um die Welt gingen. Das alles werde einmal „sehr schön“, beruhigt der Projektleiter.

Sehr schön finden das einige Anwohner nicht, eher sehr unpassend. Und welche aus den nahen Townhouses sollen ihre Wohnzimmer bereits in die oberen Etagen verlegt haben. Sie gehören offensichtlich zum Over-the-Wall-Typ. ROLA Foto: dapd