: Torten statt Tiere
Seit Jahren weiß die ARD nicht so recht, was sie um 14.10 Uhr senden soll. Jetzt hat der Sender resigniert und zeigt ab heute den „ARD-NachTisch“
VON CHRISTOPH SCHULTHEIS
Und was machen Sie so um 14.10 Uhr? Mittagspause? Besorgungen? Ein Nickerchen? Die ARD beispielsweise macht um 14.10 Uhr Fernsehen. Natürlich macht die ARD das über 24 Stunden täglich, aber eben auch um 14.10 Uhr. Und darum geht’s.
Denn lange Zeit war der Sendeplatz kein Thema. Es lief die „Wunschbox“ mit Schlagermusik und Ingo Dubinski, einem ehemals jugendlichen Moderator aus der ehemaligen DDR.
Man kann erahnen, wer so was schaut, werktags um 14.10 Uhr. Aber: Fünf Jahre lang ging das gut – dann (nachdem die Bild-Zeitung mit Dubinskis Stasi-Vergangenheit Schlagzeilen gemacht hatte) nicht mehr. Die Quoten sanken, und die ARD zeigte ab Herbst 2001 stattdessen lieber Serien-Wiederholungen aus dem RTL-Archiv: „Ein Schloss am Wörthersee“ zum Beispiel.
Das war zwar bisher noch nie da gewesen und erfolgreich, aber langfristig irgendwie unschön für einen gebührenfinanzierten Sender.
Kaum ein Jahr später hatten sich die Programmplaner und Familienkoordinatoren der ARD und ihrer angeschlossenen Anstalten deshalb für den 14.10-Uhr-Termin auch schon auf ein Ersatzprogramm verständigt – besser gesagt, man hatte gleich zwei neue Sendungen im Angebot: eine „Man sollte über alles reden“-Show vom WDR und eine „Man kann doch über alles reden“-Show vom MDR. Was besser beim Zuschauer ankomme, so die kompetitiv-forsche Ankündigung der ARD, sollte hernach dauerhaft ins Programm genommen werden.
Und so liefen im November und Dezember 2003 von montags bis freitags probehalber (und in direkter Konkurrenz zum Sat.1-Vorbild „Zwei bei Kallwass“) 32 Folgen des WDR-Formats „Dieter Speck – Psychologe“ mit dem Psychologen Dieter Speck, der früher mal mit dem ARD-Talkmaster Jürgen Fliege studiert und für den RTL-Talkmaster Hans Meiser gearbeitet hatte.
Im Januar und Februar 2004 folgten ebenfalls 32 Folgen der MDR-Alternative „Schreinemakers“ mit Margarethe Schreinemakers, die früher mal bei Sat.1 eine Show mit ähnlichem Titel moderiert hatte und sich diesmal offenbar ein Comeback erhoffte.
Geklappt hat beides nicht, nicht einmal das Comeback. Stattdessen blieben beide Sendungen mit knapp sieben Prozent hinter dem Durchschnittsmarktanteil von zehn Prozent und den Erwartungen zurück, weshalb die ARD-Programmplaner sich und dem Sendeplatz abermals ein Jahr Pause gönnten und die Zeit mit Wiederholungen der (diesmal immerhin eigenproduzierten) Krankenhaus-Serie „In aller Freundschaft“ füllten.
Doch auch das, so ARD-Sprecher Bernhard Möllmann, konnte „auf Dauer nicht die Lösung sein“. 14.10 Uhr sei allerdings aber auch „eine schwierige Fernsehzeit“, sagt der ARD-Mann und fragt mit Blick auf die unmittelbare öffentlich-rechtliche Konkurrenz: „Was zeigt das ZDF? Tiere!“
Mit Recht nennt er das abfällig „einen Bilderteppich“, dem nun etwas entgegengesetzt werden soll. Und da habe es durchaus Vorschläge gegeben: Formate mit Musik wie die „Wunschbox“ seien im Gespräch gewesen oder auch ein Quiz.
Nur eine Kochsendung habe man nicht haben wollen.
Zuletzt hat man sich dann für den SWR-Vorschlag „ARD-NachTisch“ entschieden, der zwar nach Kochen klingt, aber eher metaphorisch zu verstehen sei, quasi „als TV-Dessert“.
Man könnte natürlich auch behaupten, dem Sender sei nichts eingefallen, er habe den erfolgreichen Gerichtsshows der Privaten nichts entgegenzusetzen und (nach dem „ARD-Morgenmagazin“, dem mittäglichen „ARD-Buffet“ und anschließenden „ARD-Mittagsmagazin“) bloß resigniert die tägliche Magazinstrecke verlängert.
Denn sonderlich originell ist es nicht, was die ARD ab heute fünfmal die Woche als „NachTisch“ präsentiert. Diverse Dritte haben mit „Daheim & unterwegs“, „DAS“ oder „Hier ab 4“ längst Ähnliches im Nachmittagsprogramm. Und so werden für den „NachTisch“ nun auch überregional zwei Moderatoren im Live-Studio stehen, sitzen, reden, von denen der eine (Markus Brock, 41) schon 15 Jahre lang beim SWR moderiert, die andere (Mandana Naderian, 34) seit zehn Jahren beim Privatfernsehen ist – laut ARD übrigens zuletzt als Moderatorin von „Talent-, Unterhaltungs- und Quizshows bei TV.München, TV.Berlin, HH1, tm3 bzw. NeunLive, Tele5 und RTL“. Außerdem gibt es pro Sendung zwei Gäste: „bekannte Köpfe aus der ARD“. So steht’s im Pressetext geschrieben.
Und wer jetzt denkt, die zunächst 75 Folgen der „Talk- und Spielshow“ seien womöglich nichts weiter als ein 50-minütiges Eigen-PR-Format, dem wird auf Nachfrage beim SWR gesagt, man könne „niemanden daran hindern, richtige Vermutungen anzustellen“.
„NachTisch“, ab heute immer Montag bis Freitag jeweils um 14.10 Uhr im Ersten Deutschen Fernsehen