Gefeuerte Ministerin beklagt Macho-Gehabe

SCHLESWIG-HOLSTEIN Entlassene Bildungsministerin Erdsiek-Rave (SPD) erklärt im taz-Interview, sie sei „persönlich enttäuscht“ von Ministerpräsident Carstensen. Grüne betonen Differenzen zur CDU

KIEL taz | Morgen entscheidet der Landtag in Kiel über die Vertrauensfrage des schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Peter Harry Carstensen (CDU), gestern hieß es Koffer packen: Die vier SPD-Kabinettsmitglieder mussten binnen eines Tages ihre Büros räumen. „Ich bin persönlich enttäuscht“, sagte die bisherige Vizeministerpräsidentin und Bildungsministerin Ute Erdsiek-Rave über ihren kurzfristigen Rauswurf. Im taz-Interview erklärte sie: „Ich habe das ganze Männer-Macho-Gehabe satt.“

Durch die Entlassung der SPD-Minister ändern sich die Zuständigkeiten in der Regierung: So übernimmt Landwirtschaftsminister Christian von Boetticher die Atomaufsicht in Schleswig-Holstein – hier steht die Entscheidung an, ob der Alt-Reaktor Krümmel endgültig vom Netz geht. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) forderte, der Minister müsse die Zuverlässigkeitsprüfung des Krümmel-Betreibers Vattenfall „ernsthaft und nicht nur für die Galerie“ vornehmen.

Neben Krümmel geht es auch um die Lage der HSH Nordbank. Die Grünen-Abgeordnete Monika Heinold forderte Carstensen in einem offenen Brief auf, „endlich alle Karten auf den Tisch zu legen“ und das Parlament umfassend zu informieren. Der Chef der FDP-Landtagsfraktion, Wolfgang Kubicki, sagte, Carstensen habe Fehler im Umgang mit HSH gemacht.

Carstensen stellt sich morgen der Vertrauensfrage, die er verlieren will. Der Weg wäre damit frei für Neuwahlen im September. Laut Umfragen zeichnet sich derzeit eine Mehrheit für CDU und FDP ab. Diskutiert wird jedoch über eine Reihe von möglichen Koalitionen, Grünen-Politiker hatten auch ein Zusammengehen mit CDU und/oder FDP nicht ausgeschlossen. Grünen-Faktionschef Karl-Martin Hentschel sagte der taz gestern: „Unser oberstes Ziel ist, Schwarz-Gelb zu verhindern.“ Schwarz-Grün sei aber unwahrscheinlich, CDU und Grüne lägen inhaltlich weit auseinander, außerdem seien für die CDU-Basis im ländlich geprägten Schleswig-Holstein „die Grünen immer noch die Hassobjekte“. EST

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