Älteste Werft der Welt gerettet

SCHIFFBAU Das Traditionsunternehmen Sietas kämpft gegen die Krise. Trotz einer Kapitalspritze von 75 Millionen Euro werden 242 Mitarbeiter entlassen

Im Jahre 1635 wurde die Werft in Hamburg-Neuenfelde von Carsten Sietas gegründet. In den Anfangsjahren steht der Bau von Holzbooten und Kuttern im Vordergrund.

■ Im 19. Jahrhundert werden bereits größere Segelschiffe und Fischkutter gebaut. Anfang des 20. Jahrhunderts liefen die ersten Stahlschiffe vom Stapel.

■ 1966 verlässt mit der „Bell Vanguard“ das erste deutsche Containerschiff die Schiffswerft.

■ Seit März diesen Jahres leitet Rüdiger Fuchs, als erster Geschäftsführer der nicht aus der Familie Sietas stammt, die Werft.

„Seit 374 Jahren gibt es die Werft und durch die Umstrukturierungen werden wir auch die 400 voll machen“, sagt Michael Röschke, Mitglied des Betriebsrats der Sietas-Werft. Grund für den optimistischen Zukunftsausblick ist die zwischen Bund und Hamburger Senat erzielte Einigung über die finanzielle Absicherung des Unternehmens.

Denn für die geplanten „Umstrukturierungen“ benötigt die Werft Kredite in Höhe von 75 Millionen Euro. Der Sprecher der Wirtschaftsbehörde, Michael Ahrens, weist aber darauf hin, dass es sich entgegen bisheriger Medienberichte nicht um eine Bürgschaft in dieser Höhe handele. „Es wird lediglich eine 80-prozentige Ausfallbürgschaft für die Kredite übernommen.“ Davon sollen 26 Millionen vom Bund und 34 Millionen von der Stadt getragen werden.

„Die Bürgschaften sind ein bedeutender Baustein für die Sanierung der Sietas-Werft und damit für den Fortbestand des Unternehmens“, sagt Rüdiger Fuchs, der im März die Nachfolge des ehemaligen Geschäftsführer Hinrich Sietas antrat. Unter „Sanierung“ versteht Fuchs eine Abkehr vom traditionellen Containerschiffbau hin zum Bau von Spezialschiffen.

Das Konzept des ehemaligen Airbus-Managers Fuchs geht offenbar auf: In den letzten Wochen wurden zwei weitere Spezialschiffe von einer deutschen Reederei bei Sietas geordert. Dieser kürzlich abgeschlossene Deal soll maßgeblich zur Rettung der Werft beigetragen haben. „Das hat eine riesige Last von uns genommen“, sagt Betriebsrat Röschke. Damit stünden acht Neubau-Schiffe in den Auftragsbüchern der Werft. Außerdem sei die Lieferung von diversen Teilen für Kreuzfahrtschiffe vereinbart worden.

Die Auftragslage sichere den Schiffbau in Hamburg Neuenfelde vorerst bis 2010 – zumindest für einen Großteil der 880 Mitarbeiter. 242 Stellen sollen durch die angestrebten Produktionsumstellungen wegfallen. Allerdings haben 71 der Betroffenen bereits Stellenangebote von Tochterunternehmen der Werft erhalten. Für die restlichen 170 wird es bei Sietas wohl keine Zukunft geben. „Das bedeutet das berufliche Aus“, sagt Röschke. Tatsächlich ist die Marktsituation für arbeitslose Werftarbeiter denkbar ungünstig. Sie sollen daher in einer Transfergesellschaft auf die notwendige Berufsveränderung vorbereitet werden. Doch auch die 638 verbleibenden Arbeiter werden die Sparmaßnahmen spüren: Sie erhalten in diesem und nächstem Jahr weder Weihnachts- noch Urlaubsgeld. JOSEPH VARSCHEN