Porträt des Künstlers als Säufer

Hippen rät ab: „Edge of Love – Was von der Liebe bleibt “ von John Maybury erzählt von dem walisischen Schluckspecht und Poeten Dylan Thomas

Maybury hat viel Mühe darauf verwendet, die Figuren in originelle Bilder zu stellen, dabei sind sie unsympathische und vage Charaktere.

von Wilfried Hippen

Ja, nach ihm soll sich Bob Dylan benannt haben. Er gilt als einer der größten englischsprachigen Poeten des 20. Jahrhunderts und seine letzten Wort waren: „Ich hatte achtzehn volle Whiskeys, ich denke das ist Rekord“.

Dylan Thomas war einer von jenen genialen Künstlern, die sich als alles andere als angenehme Zeitgenossen entpuppten, und all ihre positiven Eigenschaften so radikal in ihr Werk steckten, dass sie als Mitmenschen unausstehlich wurden. Nach ihrem Tod rächen sich die von ihnen benutzten Frauen dann oft, indem sie ihre Versionen von deren Biografien schreiben. So hat etwa die Tochter von Max Frisch, Ursula Priess, gerade genau solch ein Buch veröffentlicht. Auch im Kino wird diese Geschichte immer wieder gerne erzählt und mit „Surviving Picasso“ hat James Ivory zumindest den perfekten Titel für solch ein Projekt gefunden.

Diese Art von Erzählung hat das grundsätzliche Problem, dass der wirklich interessante Charakter klein und hässlich gemacht werden soll. Ohne ihn würde diese Geschichte nie erzählt, aber er darf auf keinen Fall ihr Held sein. So werden dann meist die Frauen an ihrer Seite in Schuhe gesteckt, die ihnen ein paar Nummern zu groß sind und dadurch entsteht eine dramaturgische Unschärfe, die kaschiert werden muss. Genau dies tut der Regisseur John Maybury in seinem Film über Dylan Thomas und zwei seiner weiblichen Opfer, wenn er von der ersten Einstellung an extrem stilisiert. Er beginnt mit dem leuchtend roten Mund von Keira Knightley, die während eines Bombenalarms im London des Zweiten Weltkriegs für die in eine U-Bahnstation geflüchteten ein Liebeslied singt und in dem armseligen Grau wie eine Explosion von Stil, Schönheit und Sex wirkt. Maybury arbeitet durchgängig mit solchen Kontrasten zwischen einem Kriegs-England, das er so kaputt, düster und freudlos wie nur möglich präsentiert, und einem romantisch überhöhten Stil, bei dem die Augen einer Frau im Bett so unnatürlich hell leuchten wie Scheinwerfer und das Rauchen ständig als romantische Chiffre zelebriert wird, als hätte Maybury „Mikrophone in den brennenden Tabak gesteckt“ (so ein britischer Kritiker). Das Vorbild für diese erlesene Bildsprache ist eindeutig der in der gleichen Ära spielende „Atonement“, doch während jener auf einer hochliterarischen Vorlage von Ian McEwan beruhte und der Regisseur Joe Wright versuchte, dessen virtuoser Prosa mit der Kamera gerecht zu werden, ist das Drehbuch die größte Schwäche von „Edge of Love“, sodass die schönen Einstellungen ins Leere laufen.

So wird nie deutlich, was hier eigentlich erzählt werden soll. Geht es um die Freundschaft zwischen Dylan Thomas’ Jugendliebe Vera und dessen Ehefrau Caitlin, oder darum, wie verantwortungslos und selbstzerstörerisch der Dichter seinen Ruhm ausnutzt? All diese Geschichten werden angerissen, aber keine so intensiv weitererzählt, dass der Zuschauer wirklich Anteil nimmt. Maybury hat soviel Mühe darauf verwendet, seine Figuren in originelle, zum Teil wirklich erstaunliche Bilder zu stellen, dass er sie selber dabei fast vergessen hat. So sind sie alle unsympathische, langweilige und vage Charaktere. Und man hat nicht das Gefühl, dass es an den Schauspielern liegt, wenn etwa Matthew Rhys als Dylan Thomas nie das Gefühl vermittelt, dies sei ein großer Künstler.

Es gibt allerdings eine Ebene, auf der dieser Film berührt: Im Laufe der Dreharbeiten wurde Keira Knightley offensichtlich immer dünner und in einer Sequenz am Strand ist sie so erschreckend ausgezehrt, dass „The Edge of Love“ auch als eine Dokumentation über Magersucht gesehen werden kann.