Erinnerungskultur als Gegenwarts-Check

VERFOLGUNG Am Dienstag beginnt ein Programm mit gut 30 Veranstaltungen, das den 27. Januar umkreist – den „Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus“. Zahlreiche Zeitzeugen sind beteiligt

■ Ein diesjähriger Schwerpunkt ist Film. Erstmals beteiligt sich das Kino 46, das zweimal „Sobibor, 14. Oktober 1943, 16 Uhr“ zeigt. Das Schulmuseum thematisiert „Die Funktion des Unterrichts-Films in der NS-Zeit“, Böll-Stiftung und Fernsehforum beteiligen sich mit der sehr sehenswerten Dokumentation „Hitlers Hitparade“ und „Die 12 langen Jahre“. Markus Roth diskutiert die Popularisierung des Holocaust in populären Medien – wie dem ZDF. Gesamtprogramm: www.lzpb-bremen.de

In der Bremer Karstadt-Filiale werden historische Nazi-Briefmarken an Philatelisten und andere Liebhaber verkauft, als individuelles Geburtstagsgeschenk bieten verschiedene Buchläden DVDs an, die „1933 war ein besonderes Jahr“ heißen, oder auch „1934“ und „1938“ – auf denen die deutsche Geschichte, soweit sie die jüdische Bevölkerung und andere verfolgte Gruppen betrifft, zu Gunsten bunter „Wochenschau“-Schnipsel zur Randnotiz degradiert wird. Gut also, dass der diesjährige Dies Academicus an der Universität die „Banalisierung des Bösen“ behandelt – auch wenn Karstadt seine Briefmarkensammlung mittlerweile neu sortiert hat.

Der Dies Academicus am 26. Januar ist Teil der Veranstaltungsreihe zum „Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus“. Der eigentliche Gedenktag ist der 27. Januar. Doch dank des Engagements der Landeszentrale für Politische Bildung und der Bremer Sektion der Deutsch-Israelischen Gesellschaft (DIG) gibt es in Bremen um den 27. Januar herum ein Veranstaltungsprogramm, das einen ganzen Monat füllen könnte: Die gut 30 diesjährigen Veranstaltungen beginnen denn auch schon kommenden Dienstag mit einem Bericht von Michaela Vidláková, deren mittlerweile verstorbener Mann in Theresienstadt interniert war.

Der 27. Januar ist der Tag der Auschwitz-Befreiung. Seit 2005 ist er als solcher von der UNO deklariert, seit 1996 von Bundespräsident Roman Herzog eingeführt – und noch länger wird der 27. Januar in Bremen als Erinnerungstag für die verschiedenen Opfer des Nationalsozialismus begangen. Dieses Jahr fällt er allerdings auf einen Freitag, also einen Sabbat-Tag, an dem im Judentum keine Arbeit verrichtet werden soll. Deswegen findet die zentrale Gedenkveranstaltung schon am 25. Januar in der Oberen Rathaushalle statt.

Dort kommen zwei besondere Gäste zu Wort: Yona Yahav, Oberbürgermeister der Bremer Partnerstadt Haifa und einer der wenigen Überlebenden einer großen jüdischen Familie aus Köln – der erst durch die Kontakte nach Bremen von seinem strikten Vorhaben abwich, nie wieder nach Deutschland zu kommen.

Der andere Gast ist Cipora Feivlowitsch, die Auschwitz, Mauthausen, ein Arbeitslager und einen Todesmarsch überlebte. Dass sie ihren 85. Geburtstag – am 27. Januar – in Bremen feiern wird, kann ebenfalls als Ausweis der guten Arbeit und Kontaktpflege angesehen werden, die Landeszentrale und DIG in Sachen Erinnerungskultur seit Langem schon leisten – bei wachsendem Bedarf. HENNING BLEYL