Verkehrte Welt

Der Yasukuni-Schrein in Tokio ist das bis heute umstrittenste Symbol des japanischen Militarismus, da man seit den 70er-Jahren auch die Seelen von 14 japanischen Kriegsverbrechern in dem Schrein ehren lässt. Als im Jahr 1985 der damalige japanische Premierminister Yasuhiro Nakasone den Schrein besuchte, kam es in Peking zur bis zu diesem Samstag größten antijapanischen Kundgebung seit dem Krieg.

Umso überraschender war deshalb der Besuch des taiwanischen Parteichefs Su Chin-chiang in der vergangenen Woche beim Yasukuni-Schrein. Su ist Vorsitzender der Taiwanischen Solidaritäts-Union, die vom ehemaligen taiwanischen Präsidenten Lee Teng-hui gegründet wurde und ein Verbündeter der auf Taiwan regierenden Demokratischen Fortschrittspartei von Präsident Chen Shui-bian ist. Su begründete seine ungewöhnliche Pilgerschaft mit den 28.000 Taiwanern, die während des Krieges – meist zwangsweise – für Japan kämpften und an die im Yasukuni-Schrein erinnert werde.

An die Kriegsverbrecher habe er nicht gedacht. Dennoch kam es bei Sus Rückkehr nach Taiwan zu heftigen Protesten ehemaliger taiwanischer Zwangsprostituierter der japanischen Armee. In Wahrheit aber wollte Su wohl die jüngste japanische Sicherheitsgarantie für Taiwan honorieren. GBL