LESERINNENBRIEFE
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Nichts gegen reiche Mitbürger …

■ betr.: „Debatte um Nachfolge beginnt“ u. a., taz vom 9. 1. 12

Wird sich wohl ein Bundespräsident für eine Regulierung der Finanzmärkte und eine Finanztransaktionssteuer stark machen, der von einem reichen Finanzakteur derartig begünstigt wird? Oder wird er für eine Reichensteuer eintreten, um die galoppierende Staatsverschuldung einzudämmen, wenn er sich regelmäßig von reichen Unternehmern zum Fünfsterneurlaub einladen lässt? Die Grundprobleme der Volkswirtschaft sind heute das Auseinanderdriften von Arm und Reich und die Verschuldung des Staates (an die Reichen). Nichts gegen reiche Mitbürger, aber ein Bundespräsident als Schoßhund der Reichen ist fehl am Platz.

HANS OETTE, Neuenstadt

Fehlerfreier Bundespräsident

■ betr.: „Wasser, Wein und Wulff“, taz vom 9. 1. 12

Christian Wulff eine unendliche Geschichte, eine peinliche Geschichte, die, wenn es sich nicht um den Präsidenten handeln würde, mit dem Satz (leider) abgetan werden könnte, so sind die Politiker nun einmal. Es gibt wichtige Ämter im Staat, die oft von Personen besetzt werden, denen die nötige Qualifikation fehlt, aber dafür ist das Parteibuch richtig. Wenn „wir“ meinen, wir müssen uns einen Bundespräsidenten leisten, dann muss der aber fast so fehlerfrei sein, wie es kaum möglich ist. Das Amt des Präsidenten ist nicht dafür geeignet, „verdiente“ Parteimitglieder oder Konkurrenten dorthin abzuschieben. Dabei stellt sich die Frage, brauchen wir überhaupt einen Bundespräsidenten? Nun sage keiner, wir brauchen eine ethisch/moralische Instanz. Der jeweilige Bundesratspräsident kann die Bundesrepublik auch repräsentieren, wenn es denn ab und zu einmal erforderlich ist. GÜNTER LÜBCKE, Hamburg

Kriegerisches Vokabular

■ betr.: „Debatte um Nachfolge beginnt“, taz vom 9. 1. 12

Wulff kann vom kriegerischen Vokabular nicht lassen. Hatte er im Dezember 2011 der Bild mit Krieg gedroht, so kokettiert er im Januar 2012 mit den „Stahlgewittern“ abermals als Kriegsliebhaber. Die Geschmacklosigkeit ist exorbitant. Meinten Jüngers – den ich nicht gerade mag – „Stahlgewitter“ jenen Krieg, den die Franzosen weiter trotz des Zweiten Weltkriegs „La Grande Guerre“ nennen und der von Juli bis September 1916 an der Somme allein unter den Briten 1,2 Millionen Tote, Ermordete oder zumindest Verstümmelte hinkriegte, so klaut sich Wulff diese Furchtbarkeit für sein kleines Scharmützel mit Bild.

Jünger würde über diese unkundige Aneignung und Anmaßung gewitzelt oder gehöhnt haben. Fest steht für mich, dass Wulff ohne oder doch mit Wissen zynisch, selbstverliebt, hybrid sich den Anschein einer welthistorischen Riesenhaftigkeit verschaffen will, die alle wahren Kriegs- oder Stahlgewitteropfer von damals und heute verhöhnt, um sich selbst mit der Gloriole schicksalsschwerer Schläge zu schmücken. Eckhard Henscheid könnte das Zeug in sein „Dummdeutsch“ aufnehmen oder damit den zweiten Band des „Jahrhunderts der Obszönität“ beginnen. Ödön von Horvath könnte es als Beleg für die Richtigkeit seines Mottos der „Geschichten aus dem Wienerwald“ nehmen: „Nichts gibt so sehr das Gefühl der Unendlichkeit als wie die Dummheit.“ HARTMUT HOEFER, Osnabrück

Über Formulierung gestolpert

■ betr.: „Im Taxi mit dem Philosophen“, taz vom 7. 1. 12

Beim Lesen des Artikels über den Philosophen bin ich über die Formulierung gestolpert, er erzähle „politisch inkorrekte“ Witze. Ich finde das nicht gut. Das ist doch einfach eine amerikanische Ausdrucksweise und auch Denke, das sollten wir doch nicht einfach eins zu eins übernehmen, als ob es bei uns auch genauso „Sinn machen“ würde. Bei uns hat „politisch“ doch wirklich was mit Politik zu tun, aber den entsprechenden Witz würde ich in erster Linie mit sexistisch in Verbindung bringen. Politisch unkorrekt würde ich z. B. eher empfinden, dass Wulff seinen Kredit verschwiegen hat (nicht, dass er einen bekommen hat) und das mit allen möglichen Verdrehungen und Deutungen geradebiegen will. Nein, das war nicht politisch korrekt und sogar politisch unkorrekt, obwohl man das in diesem Zusammenhang auch wieder nicht sagen würde, weil das uns als Nicht-Angelsachsen viel zu mild wäre. Der anglizistische Gebrauch von „politisch korrekt“ muss dringend reflektiert werden, bevor er mit seinem verwischenden Siegeszug unsere Differenzierungsfähigkeiten einschläfert. IDA LÖW, Aichach

Unfreiwillige Komik

■ betr.: „Die SS als Freiheitskämpfer“, taz vom 11. 1. 12

Unfreiwillige Komik ist bekanntlich immer die schönste, aber in der taz ausgerechnet einen Bericht über die Freiwilligen der SS zu lesen, in dem die Landkarte Estlands mit seiner Hauptstadt „Reval“ eingezeichnet ist, hat mir schon ein größeres Grinsen entlockt.

Im Tallinner Hafen gibt es übrigens einen Secondhand-Laden, der noch Hitler-Büsten und SS-Uniformen verkauft; na ja: Stalin hat man auch im Angebot. Und hab ich euch je die Geschichte erzählt, als uns Anfang der 90er in Riga der Aufzugführer im Dom von seiner schönen Zeit in der SS erzählt hat, während wir nicht mehr wussten, wo wir vor Peinlichkeit hinsehen sollten? Im Baltikum kann man da viel erleben… Kiitos 1939–45! Also trotzdem vielen Dank für den Artikel. ERIK SCHOBER, Gottmadingen