Liebäugeln mit Mindestlöhnen

Regierung und Teile der Opposition wollen etwas gegen Lohndumping unternehmen, zur Freude der Gewerkschaften, zum Ärger der Arbeitgeber

BERLIN taz ■ Zum Schutz von Arbeitnehmern vor Lohndumping zeichnet sich ein Kompromiss ab. Der Mindestlohn findet inzwischen nicht nur Befürworter bei Rot-Grün, sondern auch in Teilen der Union. Das Kabinett will sich übermorgen mit Maßnahmen gegen illegale Beschäftigung befassen. Eine Entscheidung über die Ausweitung des Entsendegesetzes werde es aber noch nicht geben, sagte Wirtschaftsminister Wolfgang Clement gestern.

Der Arbeitnehmerflügel der CDU, die CDA, würde eine Ausdehnung des Entsendegesetzes auf alle Branchen begrüßen, sagte CDA-Vorsitzender Gerald Weiß der taz. „Wir können uns angesichts der Problematik nicht erlauben, gar nichts zu tun.“ Auch CDU-Chefin Angela Merkel äußerte sich positiv zu branchenspezifischen Mindestlöhnen.

Losgetreten hatte die Debatte CSU-Chef Edmund Stoiber. Angesichts billiger Arbeitskräfte aus denEU-Staaten Osteuropas müsse man sich Gedanken über einen gesetzlichen Mindestlohn machen, hatte er gefordert. Damit stieß er bei einigen Unionspolitikern und Arbeitgebern auf massiven Widerstand. Prompt ruderte er zurück: Er habe nur eine entsprechende Korrektur der EU-Dienstleistungsrichtlinie anregen wollen, nicht aber einen Mindestlohn à la DGB-Modell.

Nach DGB-Ansicht sollte nicht der Staat eine allgemein gültige Lohnuntergrenze festlegen. Vielmehr will der DGB durchsetzen, dass der unterste Tariflohn jeder Branche als Mindestlohn dient. Dies wäre erfüllt, wenn das Entsendegesetz, das bislang in der Bauwirtschaft gilt, auf alle Branchen ausgedehnt wird. Das Gesetz sorgt dafür, dass für Bauarbeiter aus anderen EU-Staaten deutsche Tariflöhne allgemeinverbindlich sind. Eine Erweiterung des Gesetzes wäre nur bei einem Konsens von Regierung und Opposition möglich, da der Bundesrat, in dem die Union die Mehrheit hat, zustimmen muss.

„Infolge von Hartz IV ist durch die Zumutbarkeitsregel jede Arbeit zu jedem Preis möglich“, sagte DGB-Sprecher Markus Franz der taz. Die Untergrenze der Löhne habe „die Grenze zur Sittenwidrigkeit“ erreicht. Sechs Wochen vor der NRW-Wahl wisse man aber nicht, „wie viel in dieser Diskussion Wahlkampfgeplänkel ist“. NADINE BÖS

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